Erzählen kann Kirche. Erzählen von der Sehnsucht über die Welt hinaus. Für Superintendent Gerold Lehner ist das die starke Seite der Kirche – und ihre Zukunftschance.
Ausgabe: 2017/18
02.05.2017 - Matthäus Fellinger
Ankommen wird die Kirche bei den Menschen, wenn sie ihre starken Geschichten des Glaubens zu erzählen vermag, meint Superintendent Gerold Lehner. Das Katholische und das Evangelische Bildungswerk Timelkam hatten am 25. April zu einem Dialogabend über die Zukunft der Kirchen eingeladen – mit Superintendent Lehner und Bischof Manfred Scheuer.
Demütig selbstbewusst
Als einen Dialog in demütigem Selbstbewusstsein. So beschreibt Bischof Scheuer das ökumenische Miteinander der Kirchen. Die Zeit, dass sich Christinnen und Christen als entweder ganz katholisch oder ganz evangelisch verstanden, sei vorbei – und so sollte es auch nicht sein. Wichtig wäre ein Bewusstsein um die eigenen Wurzeln, die gegenseitige Wertschätzung, auch gegenseitige Korrektur.
Dass Menschen nach ihrer Zukunft fragen, ist ein sehr junges Phänomen. Jahrhundertelang hätten die Leute ihre Zukunft schlicht und einfach Gott überlassen, meinte Lehner. Heute seien die Kirchen im Blick auf die Zukunft verunsichert. Man befragt die Mitglieder, lässt die Trends erforschen, versucht manchmal fast „hyperaktiv“ gegenzusteuern oder findet sich in einer schleichenden Lähmung wieder.
Von Gott reden – das wird Kernaufgabe für die Kirche der Zukunft bleiben, waren sich Lehner und Scheuer einig. Die Kirche wird deutlich machen müssen, dass sie von etwas redet, was sich die Gesellschaft nicht einfach auch selbst geben kann – unterscheidbar und erkennbar, betont Lehner. Wenn Kirche von Wahrheit redet, dann nicht als eine Händlerin der „billigen Gnade“. Es geht nicht vorrangig um Glück und Erfolg. Es geht um die Nachfolge Jesu.
Scheuer skizzierte die markanten Veränderungen in der Gesellschaft. Die Menschen finden sich in einer ganz anderen Welt vor, als sie es vor 30 Jahren erlebt haben. Was Menschen einmal wichtig war – die Entdeckung der Freiheit beispielsweise –, scheint an Faszinationskraft verloren zu haben. Gefährdungen sind dazugekommen. Die Undurchschaubarkeit von Machtverhältnissen etwa. Die Auswüchse des Reichtums bei gleichzeitiger Armut.
Dass Gott der Freiheit nicht entgegensteht, sondern dass Freiheit in Gott ihren Grund hat, dafür stehen die Kirchen in einer guten Vielfalt. Scheuer unterstrich die unverzichtbaren Optionen der Kirchen – für die Armen ganz zuvorderst, mit einer Aufmerksamkeit für die Verwundbaren. Auch die Option für die Jugend, selbst wenn diese zurzeit wenig bei der Kirche nach lebenstragenden Antworten sucht.
Wir haben, was etwa Kirchenaustritte betrifft, die Talsohle noch nicht erreicht, vermutet Scheuer. Kirche werde sich auch an anderen als den gewohnten Orten ereignen. Scheuer stellte den Gedanken des stellvertretenden Glaubens und Betens vor Augen: dass man stellvertretend für alle, die nicht da sind, Gottesdienst feiern kann, weil auch sie zu den Kindern Gottes gehören. «