Amos Oz' neues, sehr persönliches Buch über Jesus und Judas.
Ausgabe: 2018/10
07.03.2018 - Heinz Niederleitner
In der neuen Fassung der Einheitsübersetzung der Bibel verrät Judas Jesus nicht mehr – er liefert ihn aus. Tatsächlich ist die Brandmarkung von Judas Iskarioth als „Verräter“ eine Wurzel des christlichen Antijudaismus. Die Rolle, die Judas im Heilsgeschehen hat, ist schwer zu verstehen. Genau hier hat der israelisch-jüdische Schriftsteller Amos Oz mit seinem Roman „Judas“ im Jahr 2015 angesetzt und – wie andere Künstler vor ihm – eine andere Deutung als „Verrat“ formuliert. Natürlich war das ein Akt der Kunst und nicht der Theologie. Umso mehr ist die nun dazu erschienene erklärende Rede „Jesus und Judas“ von Oz lesenswert. Sie zeugt von der Auseinandersetzung des Schriftstellers mit dem Neuen Testament, was im Nachwort von Rabbiner Walter Homolka erläutert wird.
Zudem verrät Oz auch persönliche Hintergründe: Sein Vater hieß Jehuda (= Judas) und einer seiner Söhne heißt auch so. Oz selbst wurde, wie er erzählt, in Europa von einer Ordensfrauen gefragt, wie er (!) Jesus das (die Kreuzigung) antun konnte. Im Roman hat Oz eine Antwort formuliert: „Ich war nicht dabei, als es geschah. Ich hatte an dem bewussten Morgen in Jerusalem einen Zahnarzttermin.“ Eine würdige, entlarvende Antwort auf so viel antisemitische Dummheit.
Amos Oz: Judas und Jesus. Ein Zwischenruf. Mit einem Nachwort von Rabbiner Walter Homolka. Patmos Verlag, € 12,40.