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„Meine Behauptung klingt vielleicht übertrieben, aber es gibt genügend Beispiele, wo man sieht, dass auch im Bereich des Spielens ökonomische Maßstäbe immer mehr den Ton angeben“, erklärt Christoph Quarch. Profit und Effizienz, die Frage „Was bringt mir das?“ verdrängen die reine Freude am Spielen um des spielens willen.
„Spiele zeichnen sich durch mehrere Kennzeichen aus, die allesamt vorhanden sein müssen. Sonst können wir nicht mehr von Spiel sprechen“, erläutert Quarch.
Gemeinsam. Wer spielt, tut dies immer miteinander: Das kann mit anderen Menschen sein. Kinder machen aber auch aus vielen Dingen ein „Du“ und schaffen sich mit Phantasie ihre eigenen Mitspieler.
Frei. Jedes Spiel braucht einen Spielraum und eine Spielzeit. Der Spieler ist in diesem „Möglichkeitsraum“ völlig frei, das Spiel selbst ist zweckfrei, es ist kein Ergebnis festgelegt, alle Möglichkeiten sind offen.
Kreativ. Spielen ist schöpferisch. Im Spielraum wird man zu dem, der man sein könnte. Man kann lernen, reifen oder experimentieren, all das ist besonders für das kindliche Gehirn enorm wichtig.
Offen. Schließlich zeigt man im Spiel etwas, was man sonst nicht zeigen würde, neue Dimensionen öffnen sich.
Quarch nennt den Widerpart des Spiel den „homo oeconomicus“, der nur Profit sucht und dafür alle Strategien einsetzt. „Im Grunde ist die Ökonomisierung des Spiels auch für die Spielsucht verantwortlich. Alle Automaten und Computerspiele sind ja keine Spiele, sie tun nur so“, erklärt der Experte, „ihre künstliche Intelligenz ist nur auf Gewinn ausgerichtet. Da ist kein Raum für Kreativität und es ist auch kein Miteinander-Spielen.“ Die größte Gefahr der Online-Spiele sieht Quarch darin, dass sie quasi in einer Endlosschleife laufen. „Jedes Brettspiel oder Fußballspiel hat ein Ende. Am Computer ist das Ende ein neuer Level, wo man gleich weiterspielen kann. Und das macht süchtig.“
Jedes Kind wird seinen Weg finden. Und je mehr es frei spielen durfte und kreativ sein konnte, desto eher ist es fit, seine Zukunft zu meistern. „Liebe Eltern, steckt eure Kinder bitte nicht in Kurse, wo sie mit fünf schon Chinesisch lernen oder irgendeine andere Qualifikation, mit der sie vielleicht einmal erfolgreich sind“, appelliert Quarch. Zunächst müssten sie einmal lernen, Mensch zu sein. Und diese Lebendigkeit gelingt am besten im freien Spiel. Wer also seinen Kindern genug Raum und Zeit zum Spielen gibt, fördert auf einfachste und wirksamste Weise ihre menschlichen Kompetenzen. Denn: Gehirne laufen zu einer Höchstform auf, wenn man spielt.
Online-Spiele lehnt Quarch nicht prinzipiell ab. „Da gibt es auch sehr gute darunter.“ Aber hier haben die Erwachsenen die Verantwortung, dem Spiel ein Ende zu setzen. „Diese Spiele hören von selbst ja nicht auf. Das müssen Eltern mit aller Konsequenz und Nachdruck einfordern. Mit Disziplin und klaren Regeln kann man einer Sucht vorbeugen.“
Buchtipp: Rettet das Spiel!, Gerald Hüther, Christoph Quarch, Hanser Verlag 2016, 20,60 Euro.
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