„Lebensspuren – Spirituelle Impulse aus der Wüste.“ Unter diesem Titel begleitet Bruder Andreas Knapp KirchenZeitungs-Leser/innen durch die Fastenzeit.
Ausgabe: 2018/04
23.01.2018 - Matthäus Fellinger
Leipzig-Grünau. Eine Plattenbau-Siedlung, wie sie in der ehemaligen ostdeutschen Republik üblich war. Über 90.000 Menschen lebten damals hier. Es sind heute nicht einmal mehr halb so viele. Wer kann, zieht weg. Doch viele können nicht. Es sind die Ärmsten. Arbeitslose. Alleinerziehende. Menschen, die von Hartz IV leben. Andreas Knapp hat sich mit drei Mitbrüdern diese Gegend ausgesucht – freiwillig. Sie gehören der Gemeinschaft der Kleinen Brüder vom Evangelium an. Diese wurde 1956 im Geist des französischen Priesters Charles de Foucauld gegründet. Mitten unter den Menschen leben – darauf kommt es ihnen an.
Armutsviertel statt Karriere
Andreas Knapp hatte es anders vorgehabt. In Rom studierte er Theologie. Er wurde zum Priester geweiht, war Studentenseelsorger, dann, mit 35 Jahren schon, Regens in erzbischöflichen Priesterseminar in Freiburg. Einer also, mit dem man in der Kirche rechnen konnte. Man konnte es auch, nur anders. Knapp wollte keine Kirchenkarriere im klassischen Sinn, sich nicht um Strukturen sorgen müssen, sondern mit Menschen leben. Er entschied sich für ein Leben in einfachsten Verhältnissen, mit Menschen am Rand der Gesellschaft. Mit seinen Brüdern ist er überzeugt: Gott begegnet man im ganz gewöhnlichen Alltag. Auch in Leipzig-Grünau, wo fünf von sechs Menschen ohne religiöses Bekenntnis leben und die meisten mit Kirche nie in Berührung kamen. Auch im Arbeitsalltag – als Fabrikarbeiter am Fließband beispielsweise, oder als Saisonarbeiter. Wie Jesus in seinen ersten 30 Lebensjahren gelebt hat, so wollen die Kleinen Brüder Zeugen des Evangeliums sein: unauffällig, unspektakulär. Jesus war Handwerker, lebte mitten unter den Leuten. Die Brüder verdienen ihr Geld als Hilfsarbeiter – und sie leisten seelsorgliche Dienste für die Kirche ihrer Umgebung. Bruder Andreas arbeitet mit Flüchtlingen und als Gefängnis-Seelsorger.
Wüstenerfahrungen
Wie Charles de Foucauld hat sich Knapp mehrmals für 40 Tage in eine Wüste zurückgezogen. Dort muss man mit leichtem Gepäck unterwegs sein, meint er. Alles Untragbare muss man zurücklassen. Es ist ein Bild für das Leben. Seine Erfahrungen „verdichtet“ Andreas Knapp im Schreiben, vor allem in kurzen Gedichten. Im deutschen Sprachraum ist er bekannt für seine spirituellen Bücher. Die KirchenZeitung hat Andreas Knapp eingeladen, den Leserinnen und Lesern von seinen Erfahrungen zu erzählen. So hat er sieben spirituelle Impulse aus der Wüste geschrieben, die in der Fastenzeit erscheinen werden. Nächste Woche: Interview mit Br. Andreas Knapp.
Lebensspuren
Spirituelle Impulse aus der Wüste von Br. Andreas Knapp Ab 15. Februar in der KirchenZeitung
1 Einfach leben In der Wüste muss man mit leichtem Gepäck unterwegs sein und alles Untragbare zurücklassen. Das Wenige erlebt man dafür umso intensiver. 2 Der Weg in die Freiheit Die Wüste wird zur Schule der Freiheit – heraus aus den Abhängigkeiten und versklavenden Sorgen.
3 Staunen vor dem Wunder der Natur Das Leben ist unermüdlich, erfinderisch, phantasievoll – einfach nicht totzukriegen.
4 Versuchung und Bewährung Die Urversuchung heißt Maßlosigkeit. Die einzige Anbetung, die frei macht, ist die Anbetung Gottes.
5 Der Klang der Stille Hören auf die inneren Stimmen: im Gewissen, im Aufsteigen von Dankbarkeit, in der Sehnsucht nach Liebe. 6 Ganz schön einsam Wo Menschen ihre Einsamkeit spüren und annehmen, können sie eine tiefere Form von Angenommensein erleben.
7 Die neue Schöpfung In der Wüste wohnt der Tod. Doch Gottes Schöpferkraft verwandelt die Wüste über Nacht in einen blühenden Garten.