Auf der Suche nach einer Herberge treffen Maria und Josef auf Menschen, die sie abweisen und auf einen, der ihnen ein Dach über dem Kopf gibt. Es ist eine alte Geschichte. Doch viele erleben sie heute noch. So wie Marina und ihre Kinder.
Ausgabe: 2017/48
28.11.2017 - Christine Grüll
Marina hatte keinen Schlüssel bei sich, als die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fiel. Mit ihren beiden Kindern machte sie Besorgungen in der Stadt. Dann rief sie ihren Mann in der Arbeit an. Aber er wollte die Wohnung nicht für sie aufschließen. Jetzt nicht, und überhaupt nicht mehr. Er verbot ihr, in die gemeinsame Wohnung zurückzukehren. Von einer Minute auf die andere stand Marina mit ihren Kindern auf der Straße. Eine Bekannte nahm sie für vier Tage auf. In Polizeibegleitung kam sie kurz in die Wohnung zurück, um Kleidung für sich und die Kinder zu holen. Sie zog in ein kleines Pensionszimmer, bezahlt vom Jugendamt.
Als sie eine Krisenwohnung der Caritas bekam, konnte sie das erste Mal seit Wochen aufatmen. Ihre Sorgen waren nicht kleiner geworden. Aber endlich hatten sie und ihre Kinder einen Platz, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Von hier aus kann Marina ihr Leben neu ordnen.
Hilfe in einer Notlage
„Jetzt bin ich froh“, sagt Marina, obwohl die Spuren der Tränen noch in ihrem Gesicht glänzen. Marina sitzt im Büro des Krisenwohnens der Caritas für Menschen in Not. Während sie ihre Geschichte erzählt, laufen ihre zwei kleinen Söhne in den Räumen umher. Zwei Jahre sind sie erst alt. Immer wieder kommen sie, um die Mama zum Spielen zu holen. Marina möchte nicht, dass die Namen ihrer Kinder und ihr Nachname in der Zeitung stehen. Sie soll nicht erkannt werden. Sein Zuhause zu verlieren ist etwas, das man nicht gerne öffentlich macht.
Im vergangenen Jahr haben 13 Erwachsene und 15 Kinder eine Krisenwohnung in Linz benötigt, sagt Michaela Haunold von der Caritas. Sie hat sich mit ihren Mitarbeiter/innen darum gekümmert, dass Marina eine 50 Quadratmeter große Krisenwohnung beziehen kann. Die Wohnungen stehen offen für Menschen, die kurzfristig eine Wohnmöglichkeit brauchen, von sieben Tagen bis zu sechs Monaten. Die Caritas-Mitarbeiter/innen beraten und begleiten die Bewohner/innen im Alltag. Michaela Haunold kennt Schicksale von der obdachlosen Frau, die nicht länger vom Zelt aus in die Arbeit gehen will, bis zur Alleinerziehenden, die mit ihrem Kind keinen Platz mehr auf dem Schlafsofa der Großmutter hat. Bisher waren es meist Einzelpersonen oder Paare, die für einige Zeit eine Herberge brauchten. Jetzt kommen vermehrt Mütter mit Kind oder Familien. „Die meisten haben die österreichische Staatsbürgerschaft“, sagt Michaela Haunold. Marina ist eine der Ausnahmen.
Kein familiäres Netzwerk
Marinas Mann war vom serbischen Srenska Mitrovica nach Linz gekommen, um zu arbeiten. Vor eineinhalb Jahren ist Marina mit den Kindern nachgekommen. Auch die Großmutter war mit einem Touristenvisum einige Monate in der Stadt. Während sie bei den Kindern war, konnte Marina arbeiten gehen. Dann musste ihre Mutter nach Serbien zurück. Marina gab ihre Arbeit auf. Sie hat kein familiäres Netzwerk. Konnte sie schon einen Freundes- und Bekanntenkreis aufbauen? Marina schüttelt den Kopf. Ihr Mann hat finanzielle und psychische Schwierigkeiten, erzählt sie. Sie kann sich nicht vorstellen, wieder mit ihm zusammenzuleben. Sie allein ist für ihre Söhne zuständig. Hin und wieder sehen sie ihren Vater, in Anwesenheit eines Sozialarbeiters.
Ein großes Herz
Marina hat das, was sie bewegt, zu Ende erzählt. Jetzt setzt sie sich zu ihren Söhnen. Bunte Stifte liegen verstreut. Sie soll eine Spinne malen, eine Blume, dann zeichnet sie ein großes Herz. Ab Dezember haben die Kinder einen Platz in der Krabbelstube. Bis Jänner können sie in der Wohnung bleiben, bis dahin möchte Marina Arbeit und Wohnung gefunden haben. Bald kommt auch die Mutter wieder mit einem Touristenvisum. Jeden Tag sprechen sie über Videotelefonie, manchmal mit dem Bruder in der Türkei. „Ich vermisse sie sehr“, sagt Marina. Aber sie ist stark genug, das zu ertragen. „Für meine Kinder gibt es hier eine Zukunft.“«
Schenken mit Sinn
Ein Schlafplatz für Mutter und Kind
Frauen mit Kindern sind in Notsituationen dringend auf rasche und unbürokratische Hilfe angewiesen. Mit einer Spende für einen „Schlafplatz für eine Mutter mit Kind“ erhalten Frauen einen Platz in einer Notschlafstelle, Unterstützung bei der Arbeitssuche oder Essen und Kleidung für sich und ihr Kind.
„Schenken mit Sinn“ von der Caritas unterstützt Projekte wie diese, die notleidenden Menschen im In- und Ausland zugute kommen.