Arbeit hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Doch was ist, wenn ein geeigneter Arbeitsplatz nicht zu finden ist? Ein Gespräch über die Rolle von Kirche und Politik in der Arbeitswelt, über Populismus und Freudentränen.
Ausgabe: 2017/43
23.10.2017 - Christine Grüll
Mit der Scheidung war auch der Job dahin. Die 57-Jährige konnte nicht länger in der Firma ihres Mannes arbeiten. Zwei Jahre dauerte es, dann hatte sie endlich einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Er gab ihr das Gefühl von Würde zurück. Lebensgeschichten wie diese – oft unter Tränen der Erleichterung erzählt – hört Birgit Gerstorfer oft. In ihrer Aufgabe als Sozial-Landesrätin weiß sie, dass Erwerbsarbeit nicht nur mit Existenzsicherung, sondern auch mit Selbstverwirklichung und Sinngebung zu tun hat. „Auch pensionierte Menschen erzählen immer wieder, wo und was sie gearbeitet haben“, sagt Birgit Gerstorfer, „Arbeit ist ein Identifikationsprozess.“ Erwerbsarbeit hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Wie geht es da Menschen, die im erwerbsfähigen Alter sind und keine Arbeit finden? Darüber sprachen die Sozial-Landesrätin und Bischof Manfred Scheuer bei der 30-Jahr-Feier der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung in Linz.
Grundauftrag der Kirche
Arbeitslosigkeit kann sich auf die psychische und die leibliche Gesundheit auswirken, sagt Bischof Scheuer auf dem Podium: „Deshalb ist es ein Grundauftrag der Kirche, sich für jene einzusetzen, die vorübergehend oder langfristig keinen Job haben.“ Kirchliche Initiativen kommen diesem Auftrag nach. Doch Stimmen aus dem Publikum fordern mehr: Die Kirche in Oberösterreich solle mutiger die Interessen von benachteiligten Menschen vertreten. Vor allem in einer gesellschaftlichen Stimmung, in der sie mit Worten ausgegrenzt würden. „Populisten sprechen dann von denen, die nicht arbeiten wollen, obwohl sie es könnten“, bestätigt Birgit Gerstorfer. Zielführender für das Gemeinwohl sieht die Landesrätin die „Aktion 20.000“ des Bundes. Damit sollen jährlich Arbeitsplätze für über 50-Jährige gefördert werden. Erwerbsarbeit steht von vielen Seiten unter Druck. Löhne von Arbeiter/innen und Gehälter von Angestellten sind derzeit die einzigen Finanzierungsquellen für soziale Systeme. Neue Ideen tun not. Auch wenn sie noch unpopulär sind wie z. B die Wertschöpfungsabgabe, vereinfacht gesagt: eine Steuer auf Güter. Zudem verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt. Es braucht Umschulungen und eine vertiefende Ausbildung für die digitale Zukunft, so Bischof Scheuer. Das fordere Eltern, Lehrende, Wirtschaft und Politik.
Würde und Gerechtigkeit
Die Jubiläums-Feier stand im Zeichen von Würde und Gerechtigkeit in der Arbeitswelt. Würde besitzt der Mensch, er muss sie nicht erwerben. Gerechtigkeit hingegen müssen Politik, Kirche und Gesellschaft schaffen. Ein Leben in Würde gelingt, wenn Arbeit unter guten Bedingungen möglich ist und wertgeschätzt wird. Das Gespräch zwischen Bischof und Sozial-Landesrätin führt zu dem Schluss: Ein Leben in Würde kann auch dann gelingen, wenn Arbeitslosigkeit als Ursache vieler Faktoren verstanden wird – und nicht als etwas, an dem die Betroffenen selbst schuld sind.
Bischöfliche Arbeitslosenstiftung
Seit ihrer Gründung im Jahr 1987 gibt die Bischöfliche Arbeitslosenstiftung arbeitslosen Menschen eine Stimme. Seit 1994 konnten im JONA Personalservice 363 Menschen in oö. Betrieben beschäftigt werden. Seit 1998 wurden in der Arbeitsstiftung der Diözese Linz 126 Teilnehmer/innen beim beruflichen Umstieg unterstützt. Seit 2010 wurden im Projekt JU-CAN mehr als 130 Jugendliche bei der Entwicklung einer neuen beruflichen Perspektive begleitet. Diese drei Einrichtungen werden durch Eigenerwirtschaftung, Spenden sowie Förderungen des Landes OÖ und des Arbeitsmarktservices finanziert.