Paulus, der Weitblickende und Wegweisende. Teil des Altarwandfreskos von Hubert Schmalix in der Pfarrkirche Salzburg/St. Paul. Foto: Hausberger
Der studierte Theologe und leidenschaftliche Seelsorger Paulus hat auf seinen drei Missionsreisen zahlreiche Gemeinden gegründet. Für diese Gemeinden fühlt er sich verantwortlich. Deshalb hält er mit ihnen Verbindung, einerseits durch Briefe – sieben davon sind im Neuen Testament erhalten –, andererseits durch Mitarbeiter/innen, die er speziell mit dieser Aufgabe betraut.
Sieben Briefe. Die Schreiben des Paulus an die Gemeinden sind keine theoretischen, allgemein und für jede Situation gültigen Abhandlungen, sondern sie geben Antwort auf aktuelle Fragen, Bedürfnisse und Probleme. Wer die Briefe liest, kann feststellen, dass sich die Theologie des Paulus in der Kommunikation, im Austausch mit den Gemeinden entwickelt. Seine theologische und lebenspraktische Sicht der Dinge schreibt er scharfsinnig und kreativ, leidenschaftlich und auf dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen an die Mitchrist/innen in den Gemeinden. Er argumentiert statt zu befehlen. Wir bewundern auch heute noch, dass er es geschafft hat, nach oder zwischen seinen Besuchen mit den Gemeinden Kontakt zu halten und ein Beziehungsnetz über den östlichen Mittelmeerraum zu knüpfen.
Starke Bilder. Einige Bilder, die Paulus für „Gemeinde“ verwendet, haben mit Wachstum zu tun. Es geht darum, (einander) aufzubauen, einen guten Grund zu haben, einander zu stützen: „Gottes Ackerfeld, Gottes Bau seid ihr …“ (1 Kor 3, 9). Das Fundament, auf dem die Gemeinde wächst und aufgebaut wird, ist Jesus Christus. Gott lässt wachsen. Andere Bilder sind kräftigende Vergleiche, die Würde zusprechen: „Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt? …“ (1 Kor 3, 16).
Ganz nah am Leben. Schon vor Paulus wurden mehrfach Formen der Gemeinschaft mit einem menschlichen Leib verglichen. Paulus wendet dieses Bild auf die Gemeinde als Leib Christi an. Keines der Bilder für die Gemeinde ist so nah am Leben wie das vom Leib. „Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder, jede Einzelne ist ein Glied an ihm“(1 Kor 12, 27).
- Wenn Paulus vom Leib Christi spricht, betont er damit, dass die lebendige, vom Geist erfüllte Gemeinde Geschenk Gottes ist. Alle Formen von Organisation und Verwaltung müssen dahinter zurücktreten.
- Jedes Glied am Leib Christi hat seine Bedeutung für das Ganze, niemand ist unwichtig. Jeder und jede ist dazu berufen, zum Gedeihen des Ganzen beizutragen und sich mit Begabungen und Fähigkeiten einzubringen.
- Die Gemeinden des Paulus waren unterschiedlich und mitunter unstrukturiert, oft gab es auch Spannungen. Paulus hat die Vielfalt nicht beschnitten, sondern zur Mitverantwortung aller im Dienst des einen Geistes ermuntert. Rivalität und Konkurrenz unter den Diensten und Ämtern in der Gemeinde sind daher unpassend.
- Die verschiedenen Dienste, alltäglichen und außerordentlichen Begabungen gipfeln in den „größeren Gnadengaben“: „Erstrebt aber die größeren Gnadengaben ...“ (1 Kor 12, 31); und weiter (1 Kor 13, 13) „... nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; am größten aber unter ihnen ist die Liebe.“
Nächste Folge: Paulus‘ Umgang mit Konflikten.
Die Briefe des Paulus
Die „echten“ Paulusbriefe, in der vermuteten Reihenfolge ihrer Ent-stehung zwischen 50 und 60 n. Chr.1. Thessalonicherbrief 1. Korintherbrief 2. Korintherbrief Galaterbrief Römerbrief Philemonbrief Philipperbrief
Paulus. Mensch und Apostel Jesu
Eine 5-teilige Reihe von
Mag. Ingrid Leitner Mag. Margarita Paulus Mag. Peter Hausberger
Verwendete Literatur: Alfons Weiser, Miteinander Gemeinde werden. Sachbuch zum Neuen Testament und zum kirchlichen Leben. Stuttgart 1992; Daniel Kosch, Paulus – ein theologisches Portrait. In: Bibel heute, Nr. 149, 2002; Marlies Gielen, Paulus – Theologe und Seelsorger. Vorträge in Freising, Jänner 2008.