Mit einer Vesper am Schöpfungstag (1. September) startet Papst Franziskus die Schöpfungszeit, die bis zum Gedenktag von Franz von Assisi (4. Oktober) dauert. Als Geschöpfe Gottes spielen Tiere und Pflanzen in der Bibel und in der Tradition eine interessante Rolle, wie unsere neue Serie zeigt.
Ausgabe: 2016/34, Tiere in der Bibel, Freier Esel,
23.08.2016 - Heinz Niederleitner
Tiere in der Bibel
„Herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ Dass dieser Satz aus der Genesis (1, 28) kein Freifahrtsschein für hemmungslose Gewalt gegen Tiere ist, dürfte heute klar sein. Das Buch der Sprichwörter (12, 10) mahnt: „Der Gerechte weiß, was sein Vieh braucht, doch das Herz der Frevler ist hart.“ Das Alte Testament ist immer wieder sehr tierfreundlich – Tieropfern zum Trotz. Es fällt auf, dass die Landtiere am selben Tag wie der Mensch geschaffen werden (Gen 1, 24-26). Die Sabbatruhe gilt auch für die Nutztiere, „damit dein Rind und dein Esel ausruhen“ (Ex 23, 12; siehe auch Ex 20, 10). Heute würde man vielleicht salopp sagen: Freier Sonntag auch für Tiere!
Nur Pflanzen und Früchte als Nahrung
Im Schöpfungsbericht werden dem Menschen nur Pflanzen und Früchte zur Nahrung gegeben (Ex 1, 29), erst seit der Sintflut darf er Tiere essen (Ex 9, 3). Einer allgemeinen Entwicklung entsprechend gibt es heute eine Bewegung religiös motivierter Veganer und Vegetarier. Die kirchliche Lehre sagt, dass sich der Mensch von Tieren ernähren darf (Katechismus Nr. 2417). Übermäßiger Fleischkonsum allerdings wird nicht erst heute aus mehreren Gründen kritisiert, schon der Prophet Amos (6, 4) prangerte deshalb die Oberschicht seiner Zeit an. In Bezug auf den Verzehr teilt das Alte Testament Tiere in rein und unrein ein: Das Schwein – nur um das bekannteste Beispiel zu nennen – ist in der Bibel nicht zum Essen geeignet. Nahe Gadara lässt Jesus Dämonen bezeichnenderweise in eine Schweineherde fahren (Mk 5, 11–13). Übrigens: Auch der Hund, ohnehin kein Tier zum Essen, genießt in der Welt der Bibel wenig Ansehen: Sein Name (hebräisch „Kaleb“) kann als Schimpfwort gebraucht werden.
Nutztiere biblisch geschätzt
In der Bibel kommen knapp 140 unterschiedliche Tiere oder Tiergruppen vor. Geschätzt wird unter den Nutztieren zum Beispiel der Esel: Eine Eselin ist es auch, der in den Evangelien Jesus nach Jerusalem tragen darf (z. B. Mt 21, 7). Das Schaf war zu biblischen Zeiten eine wichtige Lebensgrundlage (Wolle, Milch, Fleisch). Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament erscheinen Gottvater und Christus als Gute Hirten, die Menschen dürfen sich als wohlbehütete Herde fühlen (vgl. Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte“). Schafe werden aber auch als unschuldig, ja ahnungslos dargestellt. (z. B. Jer 11, 19).
Wildtiere wie die Taube
Neben den Nutztieren spielen aber auch die Wildtiere eine wichtige Rolle: Zwar wird die Taube als Opfertier (der ärmeren Leute) erwähnt, aber sie ist es auch, die Noach (Noah) den Ölbaumzweig am Ende der Sintflut bringt (Gen 8, 11). Im Hohelied werden die Augen der Liebenden positiv mit den Tauben verglichen. Die Taube ist auch ein Beispiel dafür, dass die Hochschätzung mancher Tiere dazu geführt hat, ihre Namen zu Eigennamen von Menschen zu machen: Jona (Taube), Deborah (Biene), Lea (Kuh) oder Rachel (Mutterschaf). Ein kraftvolles, graziles und positives Bild bietet auch der Hirsch – im Hohelied vergleicht die liebende Frau den Geliebten mit ihm. Beim Propheten Habakuk (3, 19) heißt es: „Gott, der Herr, ist meine Kraft. Er macht meine Füße schnell wie die Füße der Hirsche.“ Der Hirsch ist übrigens heute das Tier im Logo der israelischen Post.
Gefahr durch Mensch und Tier
Natürlich geht für den Menschen von Wildtieren auch eine Gefahr aus (z. B. Daniel in der Löwengrube, Dan 6, 17–24; oder die Aussage Jesu „Ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“, Mt 10, 16). Sie zeigen aber auch auf, dass die Tiere keineswegs nur zum Nutzen des Menschen gedacht sind. Ihre Existenz beruht auf Gottes Plan und er erhält sie: „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie.“ (Mt 6, 26). Tiere haben eine Daseinsberechtigung auch ohne Nutzen für den Menschen. Der Mensch ist auch eine Gefahr für das Tier: In der Bibel wird das Elfenbein als wertvolle Ware erwähnt. Den syrischen Elefanten rotteten die Menschen aber im 8. Jahrhundert vor Christus aus. Wer sich übrigens bei der dritten Strophe von „Erfreue dich, Himmel“ (GL 467) vielleicht ekelt: „Gelaich und Gewürm“ gehören auch zur Schöpfung.
Buchtipp: Silvia Schroer, „Tiere in der Bibel“, Verlag Herder.