Interview mit der Paraolympics-Gewinnerin Sabine Gasteiger
Ausgabe: 2006/13, Gasteiger, Paraolympics, Turin, Sehbehinderung, Austria Skiteam, Schirennen,
30.03.2006
Ich fahre gern schnell Schi“, sagt Sabine Gasteiger, vierfache Medaillengewinnerin bei den Paralympics in Turin. Mit der KirchenZeitung spricht die sehbehinderte Sportlerin über die Freude am Skifahren, über Wichtigkeit und Unwichtigkeit des Erfolgs und darüber, was es heißt, beeinträchtigt zu sein.
Skirennen fahren mit einer Sehleistung von maximal fünf Prozent – wie ist das möglich? Sabine Gasteiger: Seit den ersten Anzeichen der Krankheit habe ich beim Schifahren auf meinen Vordermann geschaut. Durch Zufall sind mein Mann und ich auf die Begleitläuferausbildung gestoßen. Beim Rennen gibt er mir über Funk Anweisungen. Am Start sagt er, ob der erste Schwung nach links oder rechts geht, dann bei jedem Schwung nur „hopp“.
Sie gewinnen also als Team? Gasteiger: Ja, der Guide bekommt auch Medaillen. Ich bin sozusagen Sportler für zwei. Das bedingt sich gegenseitig. Einmal war ich verletzt und bin daher langsamer gefahren. Da musste er sich auch anpassen.
Wie erkennen Sie zum Beispiel Bodenwellen oder eisige Stellen? Gasteiger: Ich höre auf das Geräusch der Schi meines Guides und verlasse mich auf das Gefühl in meinen Füßen. Dazu müssen sie warm sein, weswegen ich mit einer Schuhheizung fahre.
Auf der Homepage des Austria Skiteams findet man den Begriff „Sehbehindertensport“. Stört es Sie, als „behindert“ bezeichnet zu werden? Gasteiger: Nein. Ich bin nicht sensibel, was Begriffe angeht – ob das jetzt behindert, beeinträchtigt oder „visually impaired“ heißt. Tatsache ist, man ist beeinträchtigt, aber das sind viele. Meine Tochter, die auch an der Krankheit leidet, spricht vier Sprachen. Für sie sind andere, die nur eine Sprache sprechen, beeinträchtigt. Die Umgebung schafft Beeinträchtigungen. Das ist wie mit der Gleichberechtigung. Ob ich „Student/innen“ schreibe ist wurscht, so lange Frauen schlechter bezahlt werden.
Hadern Sie manchmal mit Ihrem Schicksal? Gasteiger: Es hat Momente gegeben, da habe ich mich drei Tage lang vergraben. Aber es muss jeder mit dem leben, was er mitkriegt. Man muss das Leben bewältigen, nicht die Grundvoraussetzungen ändern. Glücklich bin ich, wenn ich schätzen kann, was ich habe, und nicht daran denke, was ich nicht habe.
Was hat Sie bei den Paralympics am meisten beeindruckt? Gasteiger: Die Siegerehrung nach dem Riesentorlauf, bei dem ich Zweite geworden bin.
Nicht einmal die Goldmedaille im Super G? Gasteiger: Nein, im Riesentorlauf hat eine Italienerin gewonnen. Das Publikum hat die Bundeshymne mitgesungen, alle haben sich mit ihr gefreut. Bewegend war die Freude des Miteinander.
Was bedeutet Ihnen Ihr Erfolg? Gasteiger: Er ist wichtig, weil dadurch vielleicht mehr im Blindensport nachkommen. Ich wurde schon gefragt, ob der Erfolg eine Entschädigung für meine Krankheit ist. Das ist er nicht. Mein Leben ist nicht besser, weil ich die Medaillen habe. Für die Medien ist Gewinnen alles, mir bedeutet die Freude am Schifahren bei schönem Wetter und guter Piste mehr als die Medaillen. Ich gehe gelassener mit manchen Dingen um. Ist es wichtig, dass im Vorgarten kein Unkraut wächst – oder dass es mir gut geht?
Zur Person: Sabine Gasteiger
Die 49-jährige Super-G-Olympiasiegerin leidet seit 30 Jahren an der vererbbaren Augenkrankheit „Makula Degeneration“. Ihre Sehfähigkeit beträgt 3,5 beziehungsweise 5 Prozent. Seit 2004 fährt sie mit ihrem „Guide“, Ehemann DI Emil Gasteiger, Schirennen. Nach Siegen in Österreich und im Europacup gewann das Duo in der heurigen Saison den Gesamtweltcup sowie vier Medaillen bei den Paralympics (Olympische Spiele für Sportler/innen mit Beeinträchtigung) in Turin. Das Paar hat drei Kinder und lebt in Bad Goisern.
- Olympia-Empfang für Sabine und Emil Gasteiger (MIVA-Mitarbeiter) im ChristophorusHaus der MIVA in Stadl-Paura: Freitag, 31. 3., 16 Uhr