Früher haben Menschen ihre Leidenschaften, ihre Aggressionen, die Gier, den Neid und ihre Rivalitätsgefühle in Ritualen zu bändigen versucht. „Die Opferungen, wie sie in den Religionen geübt werden, sind gewaltförmige Bändigungen der Gewalt“, sagt der Sozialwissenschafter Dr. Erich Kitzmüller von der Universität Wien. „Nur arbeitende Männer sind gute Männer“ stellte die Katholische Männerbewegung Österreichs als Thema über die diesjährige Sommerakademie im Kurort Bad Leonfelden.Die moderne Weltwirtschaft hat sich die Lebenserwartungen der Menschen heute, vor allem der Männer, bestens zunutze gemacht. Im Arbeitsleben, genauer in der Erwerbsarbeit, sollten sie ihre Ansprüche ans Leben verwirklicht sehen.Aber das funktioniert immer schlechter, meint der Soziologe Kitzmüller. Während auf der einen Seite Reichtum ungeheuer vermehrt wird, fallen immer mehr Menschen genau diesem modernen Wirtschaftsmechanismus zum Opfer. „Die Gesellschaft neuzeitlichen Typs wird von einem Wirtschaftsstil dominiert, der in nicht-religiöser Weise systematisch Opferungen größten Ausmaßes organisiert“, formuliert Kitzmüller das Verhängnis. Und weiter: „Die Jagdführer der Jagd nach Reichtum vermochten es, die Zukunftserwartung der Menschen - zumindest der Männer - an die Expansion zu knüpfen“. Aber das sind die Folgen dieser Jagd: Zunehmende Arbeitslosigkeit in den Kernländern der Expansion, Schrumpfen des Sozialstaates. Dr. Kitzmüller sieht durch diese Entwicklung den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. Die Krise zeichnet sich ab.Einen möglichen Ausweg schlug der Wissenschafter in Bad Leonfelden vor: Nicht mehr die Erwerbsarbeit soll den Zusammenhalt der Gesellschaft garantieren. Auf mehreren Säulen könnte eine solche Umgestaltung stehen: Erste Forderung: Ein Grundeinkommen für jede und jeden als verläßliche Sicherung gegen den Absturz in den sozialen Tod.Vor allem geht es - so Kitzmüller - darum, sinnvolle Arbeit anzuerkennen. Eigenbestimmte Tätigkeiten sollten gefördert werden wie etwa die Pflege oder Widerherstellung der Natur.Als weitere Säule eines Umbaus nennt Kitzmüller: Steuern sollen vor allem von dort eingehoben werden, wo heute die Quelle des Reichtums liegt: Nicht bei der Arbeit, sondern bei den Kapitalerträgen. Die Finanzmärkte, sagt Kitzmüller, müssen gezähmt werden. Wenn Menschen nicht neu zu teilen lernen, betont der international anerkannte Wissenschafter, eskaliert die Gewalt.