Die Lehrerin Erika Kirchweger stand ein Jahrzehnt lang an der Spitze der Katholischen Frauenbewegung (kfb) in Oberösterreich. Im Interview spricht sie über Frauenpriestertum, weibliche Altersarmut und männliche Feministen.
Ausgabe: 2017/23
06.06.2017 - Paul Stütz
2007 haben Sie als Vorsitzende der kfb begonnen. Es folgten turbulente Jahre etwa die Ernennung von Weihbischof Wagner und die Missbrauchsskandale. Hat Ihnen das zu schaffen gemacht?Erika Kirchweger: Vor zehn Jahren war ich bereits stark verankert in der Kirche, konkret in der Linzer Dompfarre. Ich habe immer fördernde Menschen für mich persönlich in der Kirche erlebt und viele Freundschaften durch die Pfarre geknüpft. Dieses positive Kirchenbild hat es mir ermöglicht den Vorsitz zu übernehmen und manche kirchliche Turbulenz gut auszuhalten.
Was sind für Sie Erfolge, was hat Sie besonders gefreut in den zehn Jahren?Kirchweger: Ich habe die kfb immer als Kraft in der Kirche erlebt, die darauf schaut, dass Frauen in der Kirche eine Beheimatung finden. Es wurde viel professionalisiert in der Bildungsarbeit und im Kontakt mit den Frauen in den Pfarren. Früher haben wir die Frauen je nach Lebensalter angesprochen, heute orientieren wir uns mehr nach Themen und Lebenswelten.
Zum Dauerbrenner „Gleichberechtigung in der Kirche“: Wie weit oben steht das Frauenpriestertum auf Ihrem Wunschzettel?Kirchweger: Es ist kein Geheimnis, dass sich die kfb für die Veränderung der Ämter in der Kirche einsetzt. Ohne diese Veränderung gibt es keine wirkliche Gleichberechtigung in der Kirche. Unser Ziel ist ein Miteinander von Männern und Frauen in der Kirche. Wir wollen offen darüber reden.
Mein Eindruck ist: Öffentlich äußert sich die kfb eher zurückhaltend zu dem Thema „Frauenpriestertum“Kirchweger: Da bin ich anderer Meinung. Wir waren im Vorjahr von der kfb gemeinsam mit „Eine Kirche mit Frauen“ in Rom. Das ist eine Schweizer Initiative, die wir stark unterstützen. Da tut sich im deutschsprachigen Raum sehr wohl etwas. Das ist ein großer Vorteil, dass die kfb zur europäischen Ebene vernetzt ist. Ich glaube, das ist eine Spezialität meiner zehn Jahre, diese Vernetzungen zu fördern für ein gemeinsames Ziel: eine Kirche mit den Frauen auf allen kirchlichen Ebenen in allen Bereichen.
Haben sie das Gefühl, dass Frauenanliegen im Vatikan ernst genommen werden?Kirchweger: Mit Papst Franziskus hat sich da einiges geändert. Wobei mir schon zu schaffen macht, dass manche Prozesse so langsam gehen. Und manche Männer in der Kirche sind empfindlich, wenn es um Veränderungen geht. Aber auch im Vatikan verändert sich, wie darüber geredet wird. Es hat sich eine Fraueninitiative zusammengeschlossen und es gibt eine Kommission, die sich mit dem Frauendiakonat beschäftigt. Hier tut sich schon was.
Es braucht also Geduld?Kirchweger: Wir haben Katharina von Siena als Patronin genommen. Sie ist auch die Patronin der Diakoninnen. Das ist ein kräftiges Zeichen. Katharina von Siena hat gesagt, dass nicht das Anfangen belohnt wird, sondern das Durchhalten. Sowohl in der Kirche als auch der Gesellschaft brauchen die Frauen einen sehr langen Atem, wenn es um Veränderungen geht. Den können wir nur dann haben, wenn wir uns gegenseitig stärken.
Gleichberechtigung ist auch außerhalb der Kirche noch nicht verwirklicht. Stichwort: Kinderbetreuung, Pflegearbeit, Lohnschere.Kirchweger: Es gibt auf vielen verschiedenen Ebenen Dinge, die nicht gleich sind, wie das unterschiedliche Einkommen von Männern und Frauen. Oder die Altersarmut, von der Frauen viel häufiger betroffen sind. Ganz einfach, weil sie durch ihre Biografie mit Kindererziehung oder mit Pflegearbeit lange Zeiten kein Einkommen für die Pension haben. Es sollte so sein, dass Männer und Frauen in Zukunft Arbeit und Leben gleichmäßig verteilen können. Es braucht die politischen Rahmenbedingungen, damit das verwirklicht werden kann. Von selber wird sich das nicht ändern.
Wenn Sie sich selber und die Generation Ihrer Kinder vergleichen: Ist Kinder großziehen und Familienleben gestalten heute leichter oder schwieriger als früher?Kirchweger: Mein jüngster Sohn war fünf Jahre alt, als ich zu arbeiten begonnen habe. Da hat mich die Oma meines Mannes gefragt, ob ich das überhaupt nötig habe.
Von der Arbeitswelt her ist es heute aber schwieriger geworden. Es wird vom Beruf oft so viel Zeit und Energie beansprucht. Es wird heute verlangt, alles gleichzeitig zu machen. Im Beruf weiterkommen, Kinder in die Welt setzen, Wohnraum schaffen, sein Leben organisieren.
Alles auf einmal, das ist einfach zu viel. Sich für die Familie ein Stück herauszunehmen ist für niemanden einfach. Für Frauen nicht und für Männer auch nicht. Ein Problem ist: Wenn sich Männer Zeit für die Familie nehmen, dann ist das in der Gesellschaft immer noch nicht normal.
Sie haben öffentlich Kritik geübt, als die oberösterreichische Landesregierung im Oktober 2015 nur mit Männern besetzt wurde. Jetzt sind wieder zwei Frauen drinnen. Alles okay?Kirchweger: Es ist nicht alles okay. 50:50 ist das Ziel und nicht zwei Frauen bei insgesamt neun Regierungsposten. Wenn man sich manche Gemeinderats-Zusammensetzung anschaut, ist das Bild leider nicht viel anders.
Sie beenden jetzt eine umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit. Bleibt mehr Zeit für anderes, etwa für Ihr Hobby Motorradfahren?Kirchweger: Mehr Zeit ist sehr relativ. Ich bin ja als Lehrerin voll berufstätig. Motorradfahren mache ich vielleicht wieder mehr. Wobei, das habe ich auch in den letzten Jahren nie ganz aufgehört.
Ist Gott ein Mann oder eine Frau?Kirchweger: Weder noch.
Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube?Kirchweger: Mein christlicher Glaube ist für mich Kraftquelle, er gibt mir Halt und Impulse für mein Leben. Nachfolge Jesu heißt für mich, dass ich mich für ein gutes Leben für alle Menschen einsetze.
Sehen Sie sich selbst als Feministin?Kirchweger: Ja.
Waren Sie das immer schon?Kirchweger: Nein, ich war es nicht immer. Durch verschiedene Erlebnisse bin ich es geworden. Zum Beispiel, als ich bei den Kindern zu Hause war und zu mir gesagt wurde: Du arbeitest nix. Da fängt man an zu denken, wird wütend, fragt sich: Was steckt dahinter? Durch die Bildungsarbeit der Kirche habe ich die feministische Perspektive kennengelernt. Die Kirche hat mich zur Feministin gemacht.
Sollten Männer auch Feministen sein? Kirchweger: Ja. Das wäre ein Paradigmenwechsel unserer Gesellschaft, wenn Frauen und Männer auf gleicher Ebene kommunizieren. Wenn Frauen und Männer in allen Lebensbereichen jeweils ihren Platz finden wollen, dann müssen auch Männer mit einem feministischen Blick auf die Welt schauen können.
Gibt es die feministischen Männer schon?Kirchweger: (lacht) Ja, hin und wieder. Wie eine Stecknadel im Heuhaufen.
Zur Sache
Frauen wählen Nachfolgerinnen
Die Neuwahl des ehrenamtlichen Führungstrios wird bei der Diözesanversammlung der Katholischen Frauenbewegung (kfb) am Samstag, 10. Juni im Bildungshaus Schloss Puchberg erfolgen. Die Dipl. Partner-, Ehe-, Familien-und Lebensberaterin sowie Pilgerbegleiterin Paula Wintereder (57) aus Neukirchen am Walde wird als neue Vorsitzende kandidieren. Als Stellvertreterinnen stellen sich Susanne Lehner und Karin Limberger zur Wahl. Susanne Lehner, Jahrgang 1962, wohnt in Hörsching und ist seit 2005 in der Caritas der Diözese Linz tätig. Die 34-jährige Karin Limberger arbeitet als Kindergartenpädagogin in einem Waldkindergarten und ist in Pennewang zu Hause.