Das Thema Milch war zuletzt verstärkt in den Medien: 19 Bauern hatten keine Abnehmer für ihre Milch, nachdem ihr Unternehmen „Alpenmilchlogistik” aus wirtschaftlichen Gründen am Ende war. Nun sind sie bei einer Molkerei untergekommen. Der Fall zeige die Probleme in der Milchwirtschaft auf, sagt Judith Moser-Hofstadler von der Bauernvereinigung Via Campesina. Ein Besuch auf ihrem Hof.
Ausgabe: 2017/19
09.05.2017 - Christine Grüll
Sie heißen Gotho oder Leonie, die Kühe im Stall von Judith und Hannes Hofstadler in Alberndorf. Zufrieden kauen die 30 Tiere an ihrem Futter. Sie wissen, gleich dürfen sie raus in die Sonne. Ihre Milch ist ein Thema, das Judith Moser-Hofstadler beschäftigt. Die Biobäuerin ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer/innenvereinigung ÖBV, die sich auch Via Campesina, „der kleinbäuerliche Weg“, nennt. Sie wünscht sich, dass Milch nicht als Rohstoff, sondern als wertvolles Lebensmittel gesehen wird. Dafür müsste sich aber einiges in der Milchwirtschaft ändern.
Überproduktion und Abhängigkeit
Vor zwei Jahren wurde die Milchquote abgeschafft. Die Milch, die in Österreich nicht abgesetzt wird, sollte verstärkt in Märkte wie China oder Russland exportiert werden. Aber die Hoffnung erfüllte sich nicht. Das Milchangebot ist größer als die Nachfrage. „Die ÖBV hat davor gewarnt, dass der Preis pro Liter sinken wird“, sagt Judith Moser-Hofstadler. Manche Bauern, die ihre Ställe vergrößert haben, könnten nun ihre Kredite schwer zurückzahlen. „Es heißt, wirtschaftlich kann man nur über Masse produzieren, weil die Preise nicht so gut sind. In Wirklichkeit steigt der Umsatz, aber nicht das, was am Hof übrigbleibt.“ Die Überproduktion verlangt immer mehr Leistung von den Kühen, von den Bauern und von den Höfen. Das macht der Milchbäuerin Sorge. Ein anderes Problem sieht sie in der Abhängigkeit von den Molkereien. Knapp 90 Molkereien in Österreich sind unter dem Dach von Raiffeisen vereint. Sie übernehmen fast die gesamte Milch, die in Österreich produziert wird. Die Molkereien sind genossenschaftlich organisiert. Das heißt, die Bauern und Bäuerinnen sind Eigentümer des Unternehmens. Die Gewinne werden nicht ausgeschüttet, das Unternehmen entscheidet, was es damit macht. „Grundsätzlich ist die Genossenschaft eine tolle Idee, weil es die demokratischste Form eines Unternehmens ist“, betont Judith Moser-Hofstadler. Doch mit der Größe des Unternehmens verlieren die einzelnen Mitglieder oft den Überblick über die wirtschaftlichen Aktivitäten der Molkerei. Darunter leidet die Mitsprache.
Ein Argument hört Judith Moser-Hofstadler oft – dass Konsument/innen den Markt beeinflussen können. „Sie haben sicher viel Macht durch das, was sie kaufen. Aber die Landwirtschaft und damit die Milchwirtschaft ist ein so wichtiges gesellschaftliches Thema, das kann man nicht den Konsumenten überlassen.“ Gefragt ist also die Politik.
Mehr Planung
Zu Besuch im Büro von Max Hiegelsberger: Der Landesrat ist unter anderem für die Themen Landwirtschaft und Ernährung in Oberösterreich zuständig. „Wir sehen auch, dass nicht nur die Bauern und Bäuerinnen, sondern auch die Milchverarbeiter ganz stark in das Druckszenario des Lebensmittelhandels gekommen sind“, sagt Max Hiegelsberger. Das Problem liege in den gesamten Absatzstrukturen und in den Preisen, die der Lebensmittelhandel vorgibt. Milch nicht mehr zu exportieren, hat für den Landesrat keinen Sinn: „Das würde bedeuten, dass noch mehr Milchbauern aufgeben müssen. Denn 40 bis 50 Prozent der Milchproduktion gehen in den Export.“ Damit aber die Milchpreise nicht weiter fallen, sind Maßnahmen notwendig. Davon ist auch Max Hiegelsberger überzeugt: „Es braucht Planungselemente zwischen Produzent und Verarbeiter, damit klar ist, was zu welchen Preisen absetzbar ist.“ Und was sagt der Landesrat zum Fall „Alpenmilchlogistik“? – Er sei froh, dass die 19 Milchbauern einen Abnehmer gefunden hätten. Die „Alpenmilchlogistik“ wurde gegründet, um bessere Preise zu erzielen. „Es gibt immer wieder Initiativen aus bäuerlichem oder Unternehmensbereich, Produkte auf anderem Weg zu vermarkten, wie zum Beispiel Rapso, Fairhof oder Pramoleum. Dafür muss es aber vorher einen Vertrag mit den Abnehmern geben“, sagt Max Hiegelsberger. Die fehlenden Verträge sei ein Problem der „Alpenmilchlogistik“ gewesen.
Mit Kreativität
Zurück auf dem Hof in Alberndorf. Judith Moser-Hofstadler erzählt von den vielen Bauern und Bäuerinnen, die ihre Arbeit mit Energie und Kreativität ausüben. Sie wären bereit für einen Wandel. „Für uns von Via Campesina ist es manchmal nicht leicht, dass wir es sind, die den Finger in die Wunde legen“, sagt die Biobäuerin. Ihr Lieblingsspruch aber lautet: „Demokratie lebt von einer kritischen Opposition, sonst entwickelt sich nichts weiter.“