Fast eineinhalb Millionen Menschen in Österreich sind armutsgefährdet. Meist wird über sie statt mit ihnen gesprochen. Das Netzwerk gegen Armut und Ausgrenzung meldet sich im Wahlkampf mit fünf Forderungen zu Wort.
Ausgabe: 2017/40
03.10.2017 - Christine Grüll
„Mir kann das nicht passieren“, das hat sich Lothar Furtner aus Schärding oft gedacht. Er hat zwei Berufe erlernt und zuletzt als Koch gearbeitet. Gut habe er verdient, erzählt er bei einem Treffen in Linz. Mit 37 Jahren hatte er den ersten Herzinfarkt. Dann kam der Unfall: 40 Prozent seiner Haut sind verbrannt. Zwei Jahre lang war er im Krankenstand, bis heute hat er Schlafstörungen. Lothar Furtner ist auf Sozialhilfe und Bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen. Bei pro mente OÖ hat er eine Aufgabe gefunden – und beim Netzwerk „Gemeinsam gegen Armut und Ausgrenzung“. „Ich muss die Leute darüber aufklären, wie schnell das gehen kann, dass man vor dem Nichts steht“, sagt Lothar Furtner. Als Sprecher der Netzwerks will er, dass psychisch und physisch beeinträchtigte Menschen und Arbeitslose nicht als Bittsteller/innen behandelt werden. „Viele trauen sich nicht zu holen, was ihnen zusteht“, sagt Furtner, „sie schämen sich und haben Angst davor, als Versager diskriminiert zu werden.“ Er ist empört darüber, dass armutsgefährdete Gruppen immer wieder gegeneinander ausgespielt werden: Mindestsicherungsbezieher gegen Pensionisten und alle gegen Flüchtlinge.
Von Mindestsicherung bis politischer Stil
Mit fünf Forderungen wendet sich das Netzwerk in der heiße Phase des Wahlkampfes an die politischen Parteien. Die erste Forderung betrifft die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Ein Teil davon soll in Form von Sachleistungen, sprich Gutscheinen, ausgezahlt werden. Das Netzwerk hält nichts davon. „Das ist entwürdigend, ja eigentlich eine Nötigung“, sagt Lothar Furtner. Der Behindertenpass sollte österreichweit gelten und nicht nur in dem Bundesland, in dem er beantragt wurde. Das würde zum Beispiel die Mobilität mithilfe öffentlicher Verkehrsmittel fördern. Für eine wirksame Armutsbekämpfung müssten Betroffene in allen Gremien vom Gemeinderat bis zum Bund vertreten sein. Sie wissen, was nottut. Armutsgefährdete Menschen warten oft monatelang auf einen Termin bei Fachärzt/innen mit Kassenvertrag. Es sollte diese flächendeckend geben, denn armutsgefährdete Menschen können sich Wahlärzt/innen nicht leisten. Und nicht zuletzt fordert das Netzwerk einen besseren politischen Stil. Armutsbetroffene und -gefährdete pauschal zu verurteilen, das gehört nicht dazu. «