Wort zum Sonntag
Wie wichtig ist Vertrauen vor dem Hintergrund der benediktinischen Tradition?
P. Jakob Auer: In einer klösterlichen Gemeinschaft ist Vertrauen ein Grundwert, der uns trägt. Beim Benedictine Banter – einer Art benediktinischem Geplänkel mit Teilnehmenden während der Hochschulwochen – wird es u. a. um die Frage gehen, welche Bilder von Gemeinschaft haben wir in Verbindung mit Vertrautheit.
Oft werden Ordensgemeinschaften mit Familien verglichen und auch das Thema Freundschaft kommt dabei häufig ins Spiel. Doch für mich ist in diesem Zusammenhang Familie ein zu intimer Begriff und Freundschaft ein zu exklusiver.
Manche Mitbrüder würden da außen vor bleiben, weil man ja nicht mit allen befreundet sein kann. Am ehesten passt der Vergleich mit einer Firma, aber auch nicht ganz, weil wir in der Klostergemeinschaft viel zusammen sind. Und da braucht es grundsätzlich ein Vertrauen, dass jeder Mitbruder sein Leben auf dieselben Werte ausrichtet – Werte, die uns als Gemeinschaft zusammenhalten, wenn wir Mönche uns auf den Weg der Gottsuche begeben.
Nur so können wir Gemeinschaft bilden und unser Leben und unseren Glauben teilen. Die Regel des heiligen Benedikt von Nursia gibt dazu Anleitungen.
In der Spiritualität der Benediktiner sind ja das Gebet, die Arbeit und die geistliche Lesung ganz zentral ...
Auer: Ja, dazu kommen Grundwerte, die in der Professformel festgeschrieben sind, wenn wir das Ordensgelübde ablegen. Damit versprechen wir zum Beispiel, dass wir uns laut sogenannter Stabilitas beständig an ein bestimmtes Kloster binden, wir versprechen Demut und Gehorsam gegenüber dem jeweiligen Abt und dem klösterlichen Lebenswandel, zu dem u. a. Armut und Ehelosigkeit zählen, und wir versprechen, dass alles im rechten Maß geschehen soll.
Der Glaube an Gott hat auch mit Gottvertrauen zu tun. Sie haben vorhin den Spruch erwähnt „Glauben heißt nicht wissen“ ...
Auer: Ja, dieser Spruch stimmt insofern, weil Glauben mit Wissen nichts zu tun hat, sondern mit Vertrauen. Es geht darum, etwas für wahr zu halten nicht auf einer kognitiven Ebene, sondern mit dem Herzen.
Das Wort „Glaube“ aus dem griechischen „pistis“ kommend heißt übersetzt auch „Vertrauen“. Wenn ich versuche, in Beziehung zu treten mit Gott, der nicht sichtbar und nicht greifbar ist, setzt das Gottvertrauen voraus.
Ich habe auch Vertrauen in die Heilige Schrift. In dem wir Benediktiner sie studieren, richten wir uns ganz auf Gott aus. In der Bibel wird von Menschen berichtet, die Erfahrungen gesammelt haben in ihrem Leben und diese Erfahrungen haben sie in Bezug auf einen Gott gesetzt, der für sie von großer Bedeutung war. Und aus diesem Erfahrungsschatz entwickelt sich ein Glaube im Sinne der Religion, entwickelt sich ein Glaube im Sinne von Vertrauen auf Gott.
An einer Stelle der Benediktus-Regel heißt es in etwa: Wenn es schwer wird, sich an die Regel zu halten, sollte man nicht in Angst fliehen, denn es kann am Anfang nicht anders als eng sein. Doch wenn man durch die Enge durchgeht, dann weitet sich das Herz. Um das zu schaffen, braucht es vor allem Selbstvertrauen, oder?
Auer: Ja. Solch eine Stelle finden wir auch im Matthäusevangelium (7,14), wo das enge Tor und der schmale Weg dahin ins Leben führen. Der heilige Benedikt sagt, am Anfang – das ist die Zeit, wo man ins Kloster eintritt, die Gemeinschaft und die Tagesstruktur kennenlernt –, kann es zu einem ersten Moment der Ernüchterung kommen, wenn zum Beispiel die eigenen Ideale bröckeln. Das ist so eine enge Stelle.
Bei mir war es so, dass ich trotzdem vertrauensvoll weitergegangen bin und dann erkannt habe, dieser eingeschlagene Lebensweg hat für mich einen Sinn und erfüllt mich.
Menschen sind ja stets gefordert, mit Krisen im Leben umgehen zu lernen ...
Auer: Ob im Kloster oder in der Welt, wir Menschen kommen immer wieder an Punkte, wo wir sagen, warum musste das jetzt so sein. Ein paar Jahre später hat sich die Situation dann vielleicht als Glück erwiesen.
Natürlich ist das kein wirklicher Trost für schwierige Gegebenheiten, in denen man gerade steckt. Aber im Nachhinein zeigt sich oft, dass wir aus herausfordernden Umständen gestärkt hervortreten. Es geht darum, dass man den eigenen Lebensweg voller Vertrauen geht und die engen Stellen trägt.
Das Stift St. Peter besteht seit mehr als 1300 Jahren und ist das älteste Kloster im deutschen Sprachraum mit ungebrochener Kontinuität. Warum, denken Sie, hält es sich schon so lange so standhaft?
Auer: Ich glaube, weil man immer auch das Umfeld im Blick hatte. Das, was rundherum passiert ist, die Zeichen der Zeit, wurden wahrgenommen und integriert. Man war zwar ein Fels in der Brandung, aber keine unantastbare, uneinnehmbare Burg.
Und natürlich haben die Menschen, die ins Kloster kamen, viele Jahre die Gemeinschaft geprägt und gestaltet. Und sie haben sich gestalten lassen. Wir Benediktiner sind kein Schul- oder Krankenhausorden. Wir sind laut heiligem Benedikt prinzipiell einmal frei für Gott – Vacare Deo. Das heißt, wir treten mit ihm in Beziehung und geben ihm einen Raum, damit er einziehen kann. Wir sind einfach da.
Das ist der Platz, wo wir als Benediktiner verwurzelt sind, wo wir uns vernetzen, wo wir aber auch die Wirklichkeit um uns herum nicht ausblenden. Und das, glaube ich, würde der katholischen Kirche generell auch guttun, wenn es darum geht, wieder vertrauen zu lernen: da zu sein, wo man steht, und dort gut steht, ohne allzugroße Angst zu haben vor dem, was in der Welt passiert.
Wir Benediktiner stehen für Verlässlichkeit und Dauer. Das bedeutet, dass wir in Liebe und mit Beharrlichkeit versuchen, auch turbulente Zeiten zu meistern.
Sie sind seit April 2024 Prior der Erzabtei St. Peter in Salzburg und somit nach außen Stellvertreter von Erzabt Korbinian Birnbacher. Und das mit 32 Jahren. Wie kam es, dass Sie hier eingetreten sind?
Auer: Es gab für mich von Kindheit an eine Grundfaszination für klösterliches Leben, die gewachsen ist. Das hatte zu tun mit den Ordensschwestern der Augustinerchorfrauen, die bis 2023 im Kloster Goldenstein in meinem Heimatort Elsbethen gewirkt haben.
Seit ich denken kann sind meine Familie und ich, auch meine Großeltern, am Sonntag immer zu den Schwestern in die Klosterkirche in die Messe gegangen. Es hat mich beeindruckt, wie die Ordensfrauen in Gemeinschaft miteinander ihr Leben und ihren Glauben teilen.
In mir kam im Laufe der Zeit immer wieder die Frage hoch, ob für mich auch eine klösterliche Lebensform das Richtige wäre. Zunächst absolvierte ich aber die Landwirtschaftsschule in Ursprung, machte Matura, danach Zivildienst beim Roten Kreuz und arbeitete dann beim Raiffeisenverband Salzburg im Lagerhaus als Verkäufer.
Und plötzlich war mir klar, dass ich den Weg als Mönch gehen möchte. Ich habe mich bewusst für den Benediktinerorden entschieden, weil mich das benediktinische Verwurzeltsein an einem Ort – wir werden ja nicht versetzt, wir bleiben in dem Kloster, in das wir eintreten –, und die Spiritualität der Benediktiner faszinieren. Also kündigte ich im Sommer 2013, klopfte im Herbst darauf in St. Peter an und bin geblieben.
"Fragiles Vertrauen - Über eine kostbare Ressource" - so lautet heuer das Thema der Salzburger Hochschulwochen, die vom 29. Juli bis 4. August stattfinden. In Vorträgen, Diskussionen und Workshops setzen sich damit u.a. der Jesuit Andreas R. Batlogg, die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, der Theologe Thorsten Dietz und die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle auseinander.
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