Wort zum Sonntag
Betrachtet man Ihren Werdegang, scheint Ihr Weg zur Caritas wie vorgezeichnet. Gab es ein Schlüsselerlebnis, mit dem dieser Weg begonnen hat?
Stefan Pimmingstorfer: Ursprünglich habe ich in Graz Medizin studiert. Dann ist mein Vater, der Gemeindearzt in Peuerbach war, verstorben. Daraufhin habe ich meinen Lebensmittelpunkt wieder nach Oberösterreich gelegt und Sozialwirtschaft studiert. Dass ich mit Ende des Studiums die Ausschreibung für die Assistenz der Geschäftsführung in der Caritas für Menschen mit Behinderungen gefunden habe, war eine glückliche Fügung. Auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch ging ich durch St. Isidor, kannte mich dort aber nicht aus – und da war so ein kleines Mädchen, das auch allein herumspaziert ist. Es hat mich freudestrahlend begrüßt und mir den Weg gezeigt. Das war mein erster Kontakt mit Caritas, und ich dachte mir: Wow, das ist klasse, hoffentlich bekomme ich den Job, da möchte ich gerne sein.
Österreich begibt sich mit dem neuen Budget auf Sparkurs, auch Sozialleistungen sind betroffen. Wie stellt sich die Caritas mit ihrer Arbeit darauf ein?
Stefan Pimmingstorfer: Caritas hat die Aufgabe, aufzuklären und Informationen zu liefern. Der Blick auf die Schwächsten in der Gesellschaft ist mir da wichtig. Wir spüren immer noch die Nachwirkungen von Corona. Da sind der soziale und wirtschaftliche Druck, Einsamkeit und ganz viele Themen, die in der Pandemie entstanden sind und die wir noch nicht aufgearbeitet haben. Beispielsweise gibt es bei den Therapieplätzen immer noch massive Wartelisten. Es kann schon mal sein, dass ein Kind, das aufgrund einer Diagnose einen Anspruch hätte, eineinhalb Jahre auf einen Therapieplatz im Bereich Psychologie wartet. Der Caritas ist wichtig, in Dialog mit den politischen Verantwortlichen zu sein und klar und kritisch darauf hinzuweisen.
Viele kennen die Caritas als spendensammelnde Organisation und sind zum Teil überrascht, dass diese auch mit öffentlichen Geldern arbeitet. Führt das manchmal zu Spannungen?
Stefan Pimmingstorfer: Damit werden wir immer wieder mal konfrontiert. Hintergrund ist, dass viele Menschen von der Fülle der Angebote der Caritas überrascht sind. Viele Leistungen erbringen wir im Auftrag der öffentlichen Hand. Wir sind daher auch bis zu 83 Prozent von dieser finanziert, etwa wo Menschen im Sinne einer Grundversorgung betreut werden oder auch ein Platz im Seniorenwohnhaus. Aber Freizeitaktivitäten für Kinder, die 365 Tage im Jahr an einem Standort von uns leben, sind zu 100 Prozent spendenfinanziert: etwa die Urlaubs- und Ferienaktionen. Dann gibt es die reinen Leistungsangebote im Bereich Nothilfe, die ebenfalls spendenfinanziert sind. Das Angebot könnten wir nie so bieten, würde es nicht Spender:innen geben, die uns unterstützen.
Der Bischof bezeichnete die Caritas als bedeutsamen Akteur im Land OÖ: Hat die Caritas Macht?
Stefan Pimmingstorfer: Ich würde es nicht als Macht bezeichnen. Man will unsere Kompetenz und schätzt auch die Fähigkeiten, die die Caritas hat. Das ist das, was von politisch Verantwortlichen oder von Auftraggeber:innen wahrgenommen wird. Es gilt tatkräftig, aber auch herausfordernd als Caritas wirksam zu sein und zu fordern, aber ich würde es nicht als Machtposition bezeichnen. Statt machtvoll sind wir kraftvoll.
Wie wird die Caritas in Zukunft aussehen?
Stefan Pimmingstorfer: Das Thema Digitalisierung ist etwas, das uns beschäftigt. Diese wird uns helfen, bei manchen bürokratischen Anforderungen, die immer mehr werden, schneller zu sein, weil die künstliche Intelligenz (KI) hoffentlich vieles für uns übernimmt. Dort, wo ich weniger am PC sitze, habe ich wieder mehr Zeit für den Menschen. Im Beratungsbereich wird es vermutlich so sein, dass viele Grundberatungsfragen zukünftig von KI ein Stück weit begleitet werden. Bei allem, was an Entwicklungen in der nächsten Zeit ansteht, ist immer die erste Frage: Hilft es den Menschen, und wie können wir das gut einsetzen, dass wir maximale Zeit für Menschen gewinnen und immer diesen direkten Kontakt halten können?
Die Caritas ist auch eine große Arbeitgeberin. Was kann man als solche machen, um genug Mitarbeiter:innen zu bekommen?
Stefan Pimmingstorfer: Die Mitarbeiter:innen der Caritas schätzen die Caritas aufgrund ihrer Werte, die sie vorlebt, und der Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Man muss bei jungen Menschen ansetzen und sie mit Caritas in Kontakt bringen. Und dann aber auch die Mitarbeiter:innen begleiten im Sinne von Weiterbildungsmaßnahmen oder Supervisionsangeboten. Da ist wichtig, dass die Caritas auch Sozialbetreuungsschulen hat und Menschen qualifiziert. Der Wettbewerb ist sehr groß. Was die Caritas von einem anderen Arbeitgeber unterscheidet, ist oft die persönliche Haltung, die ich hier erlebe. Ich nenne das immer ganz gerne den „Caritas-Spirit“. Die Sinnfrage, die stellen wir uns nicht. Wir wissen, warum wir das machen.
Auf welche Themen wollen Sie in Zukunft den Fokus legen?
Stefan Pimmingstorfer: Die Caritas ist ein Kraftort und Begegnungsort, und zwar für alle. Wir leben und lieben die Buntheit und Vielfalt, und wir begleiten im Jahr ungefähr 40.000 Menschen in allen Altersgruppen und Lebensphasen. Ein gesellschaftlicher Schwerpunkt ist sicherlich die Pflege und Betreuung. Wenn wir heute nicht die richtigen Entscheidungen treffen, droht uns morgen ein Kollaps in der Versorgung. Die demografischen Entwicklungen, der Fachkräftemangel und die wachsende Belastung für pflegende Angehörige stellen unser Pflegesystem vor große Herausforderungen.
Was wird Ihre erste Handlung als neuer Direktor sein?
Stefan Pimmingstorfer: Ich möchte jetzt einfach mal in der neuen Rolle gut ankommen. Das, was Franz Kehrer gut gelungen ist und wofür ich ihn schätze, ist, dass er das Vertrauen der Menschen hat. Es ist eine meiner Aufgaben, das Gute zu bewahren und daran gut anschließen zu können. Gleichzeitig wird sich mit mir manches anders gestalten, aber was es braucht, ist, dass Menschen mir vertrauen. Darauf werde ich ganz klar den Fokus legen.
Zum Foto: Stefan Pimmingstorfer hat 2007 das Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der JKU in Linz abgeschlossen und im gleichen Jahr begonnen, bei der Caritas zu arbeiten. 2019 übernahm er die Geschäftsführung der „Caritas für Menschen mit Behinderungen“ und 2022 wechselte er in den Vorstand der Caritas OÖ. Mit 1. September 2025 folgt er Franz Kehrer als Direktor der Caritas OÖ.
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