Wort zum Sonntag
Wann haben Sie den ersten Verdacht gehabt, dass Sie Corona haben könnten?
Reinhard Bell: Mein Arzt und ich rechneten nicht, dass ich angesteckt sein könnte, da mich schon längere Zeit eine verschleppte Grippe geschwächt hat. Schon seit Jänner musste ich Antibiotika nehmen, um meine unaufschiebbaren Aufgaben als Priester erfüllen zu können. Ich fühlte mich meist kraftlos. Mitte März kam der Zusammenbruch. Alle meine Glieder schmerzten, ich konnte plötzlich nicht mehr meine gewohnte Laufstrecke beenden, ich hatte Atembeschwerden, die Zahnpaste brannte wie Feuer, alles schmeckte versalzen. Es waren alles Corona-Symptome, das wusste ich halt nicht. Erst spät ließ mich mein Arzt testen. Übrigens weiß ich bis heute nicht, wo ich mich angesteckt haben könnte.
Wie stark ist die Erkrankung ausgebrochen?
Bell: Ich hatte einen ziemlich schweren Verlauf mit hohem Fieber und Atembeschwerden. Ich war total entkräftet. Ich habe wirres Zeug geredet und war teilweise weggetreten. Vielleicht wäre es besser gewesen, ins Krankenhaus zu kommen. Wenn ich ohnmächtig geworden wäre oder in meinem Pfarrhof bei einem Fieberschub über die Treppe gestürzt wäre, hätte das schlimm ausgehen können. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich es so überstanden habe. Dankbar bin ich auch für die vielen Menschen, die mich immer wieder angerufen haben und mir in der schwersten Phase Essen vor die Tür gestellt haben.
Wann waren Sie wieder gesund?
Bell: Kurz vor Ostern bin ich wieder genesen. Das war meine persönliche Auferstehung. Ich war froh, wieder in der freien Natur laufen zu können. Da man nach einer überstandenen Corona-Erkrankung weder ansteckend ist noch selber angesteckt werden kann, konnte ich bedenkenlos in mein Elternhaus zu meiner kranken Mutter fahren und dort im kleinen Kreis mit meinen Schwestern, die sie liebevoll betreuen, den Ostergottesdienst feiern. Das war wahrscheinlich ein einmaliges Erlebnis, das mich sehr berührt hat.
Hassen Sie das Corona-Virus?
Bell: Nein, ich glaube, dass trotz aller leidvollen Erfahrungen auch ein tiefer Sinn in der Corona-Krise verborgen ist. Als Strafe Gottes habe ich es nie gesehen. Ich glaube an einen Gott, der uns als seine Kinder liebt. Manchmal müssen Kinder auch schmerzliche Erfahrungen machen, damit sie etwas fürs Leben lernen. Ich hoffe für mich, in der Zukunft die richtigen Konsequenzen aus dieser Erfahrung zu ziehen.
Welche sind das für Sie?
Bell: Ich habe gemerkt, dass ich nicht vom Alter her, aber vom Stress, dem ich ausgesetzt war, zur Risikogruppe gehört habe. Um es ein bisschen spaßig zu formulieren, mit der verschleppten Grippe hat mein Körper zum Coronavirus gesagt: „Ich bin bereit, lieber Virus, komm!“ Noch nie in meinem bereits langen Priester-Leben habe ich mir so viel Zeit nehmen können, meine Krankheit auszukurieren. Als Priester habe ich normalerweise viele unaufschiebbare Termine (Taufen, Hochzeiten, Begräbnisse etc.), für die in der heutigen Zeit kaum eine Vertretung zu finden ist. Da muss man funktionieren. Es war ein Stück Befreiung, dass ich in dieser Corona-Zeit auf meinen Körper hören konnte. Der hat mir schon lange gesagt: „Es ist zu viel.“ Eine Konsequenz der Covid-Erkrankung, die ich ziehe, ist es, meine über 30-jährige Religionslehrer-Tätigkeit ab Herbst zu beenden. So werde ich in den Sommer-Ferien nach einem lang geplanten Kur-Aufenthalt Urlaub machen, in der Hoffnung, dass meine angeschlagene Stimme sich erholen kann und ich wieder ganz fit werde.
Welche Lehren kann die Gesellschaft aus der Coronakrise ziehen?
Bell: Ich bin dankbar für alles, was in unserem Land an Positivem geleistet wurde, an Vorsichtsmaßnahmen und raschen, richtigen Entscheidungen, sodass viele Menschenleben gerettet wurden. Trotzdem ist es wichtig, aus der jüngsten Vergangenheit zu lernen. Zum Beispiel, dass man in Altenheimen nicht nur Menschenleben rettet, indem man sie vor dem Corona-Virus schützt, sondern auch Wege findet, wie die Menschen dort seelisch gut überleben können. Im nahe gelegenen Altenheim, in dem ich sonst regelmäßig Menschen besuche und auch immer wieder Gottesdienste feiere, kann ich bis heute die seelsorglichen Aufgaben nicht erfüllen, obwohl ich nach meiner Corona-Erkrankung derzeit für niemanden ein Risiko bin. Viele sind zwar vor Corona bewahrt worden, aber seelisch fast oder sogar wirklich gestorben. Ohne anklagen zu wollen, hoffe ich, dass wir das in Zukunft besser machen.
Glauben Sie, dass bei der Coronakrise das Schlimmste überstanden ist?
Bell: Ich freue mich natürlich über die Lockerungen und dass wir in Österreich derzeit das Schlimmste überstanden haben, weltweit schaut es aber ganz anders aus. Die Gefahr ist nicht gebannt und die Ansteckungsgefahr und deren Folgen dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Zu viele sind gestorben und weltweit werden noch viele sterben. Es ist wichtig, ja lebensrettend, weiterhin die Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. «
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