Wort zum Sonntag
Die Kanzel ist ein absoluter Lieblingsplatz von Propst Markus Grasl. Dort kann der Ordensmann den Alltag vergessen und ganz zu sich kommen. – Nein, nicht auf der barocken Kanzel in der Stiftskirche , sondern auf der Kanzel in seinem Revier, wie ein Hochstand in der Jägersprache heißt.
Durch Zufall hat der 40-jährige Propst für das Jagen Feuer gefangen. Ein Freund hat ihn – acht Jahre ist das her – für ein paar Tage zum Entspannen in eine Jagdhütte nach Kärnten eingeladen. Aus reiner Neugier hat er ihn eines Morgens zur Jagd begleitet. Dabei ist es passiert: das Suchen eines Sitzes, das Beobachten, die Konzentration seines Freundes vor dem Schuss bis zum Bergen des Wildes. Das hat Propst Markus so in Bann gezogen, dass er sich bald danach zur Jagdprüfung anmeldete. Gemeinsam mit angehenden Jägern aus Antiesenhofen, wo er als Pfarrer tätig war, fuhr er zweimal wöchentlich vier Monate hindurch zur Jagdausbildung nach Ried im Innkreis. „Wild, Jagd, Waffenkunde – die Jagdprüfung verlangt schon einiges ab, ich glaube, mehr als der Führerschein“, meint er schmunzelnd.
Die Jägerschaft von Antiesenhofen hat ihn dann in ihre Gemeinschaft aufgenommen und einem erfahrenen Jäger als „Ausgeher“ zugewiesen. „So habe ich Jagd und Hege gelernt. Das war für mich ganz wichtig“, erinnert er sich dankbar. Dankbar ist Propst Markus auch für die Lebensqualität, die ihm die Jagd gebracht hat.
Er stammt aus einer Nebenerwerbslandwirtschaft in der Buckligen Welt (NÖ), wo das Leben im Jahreslauf der Natur ganz selbstverständlich den Alltag prägte. Durch Schule, Studium und Seelsorge – alles geistige Betätigungen – ist seine Beziehung zur Schöpfung im Laufe der Jahre nach und nach immer weniger geworden, analysiert der Ordensmann. Ohne dass es ihm bewusst aufgefallen wäre, ist in ihm etwas verloren gegangen. Die Jagd hat ihm das wiedergeschenkt. Sie ließ ihn den Rhythmus des Lebens neu entdecken: „Man lebt mit der Natur, man weiß, wann es hell wird, man weiß, wann
es dunkel wird, wann die Rehe setzen. So in die Schöpfung eingebettet zu sein, macht Freude und bedeutet für mich Lebensqualität.“
Propst Markus betreut nun in St. Georgen bei Obernberg – dort ist er auch Pfarrer – einen Teil eines Reviers. Er biegt mit dem Auto auf einen Feldweg ein und parkt es vor seiner Kanzel. Ein Bauer mit seinem Traktor kommt vorbei, der Anhänger voll beladen mit Zuckerrüben. „Wir leben in einer Kulturlandschaft, nicht in einer Naturlandschaft. Wir Menschen teilen den Raum mit den Tieren, aber auch untereinander: mit den Landwirten, mit Erholungssuchenden. Beziehung ist für mich das Schlüsselwort für den richtigen Umgang miteinander.“ Die Jagd ist für ihn in diesen Beziehungszusammenhang eingebettet.
Er klettert die Leiter auf seinen Hochsitz hinauf und nimmt Platz. Der Propst beginnt von seinen Erfahrungen zu erzählen: „Am Hochstand höre ich mich selbst wieder atmen. Im Alltag bin ich oft ein Getriebener von Besprechungen und Sitzungen. Hier kann ich meine eigene Verfasstheit wahrnehmen. Ich spüre ich mich.“ Der Ansitz ist für ihn wie ein Krimi im Fernsehen: „Du weißt nie, was kommt. Du bist gefordert, deine ganze Aufmerksamkeit auf das Jetzt zu richten.“ Besonders gern geht er am Morgen auf den Hochsitz, um zu erleben, wie der Tag erwacht: „Das ist etwas vom Schönsten. Sehen zu dürfen, wie dir der Tag entgegenwächst.“ Da die Morgenansitze großteils ohnehin in die Sommermonate fallen, bringen sie ihn auch nicht in Konflikt mit dem Chorgebet. Um halb sieben, wenn die Reichersberger Chorherren die Laudes beten, ist er schon wieder zu Hause.
Auch das Stift Reichersberg besitzt ein eigenes Jagdrevier. Aber das ist verpachtet. „Und das ist gut so“, betont der Propst. Er fühlt sich in der Gemeinschaft der Jäger in der Region sehr wohl: „Da bin ich der Markus, da bin ich wie alle anderen, wie der Stephan und der Georg. Obwohl ich die Kirche sehr liebe, tut es wohl, einmal über anderes zu reden.“ Und einmal einen Rehbraten oder Hasen zu genießen. Der Propst hat keine Scheu, über das Schießen zu reden. Da gibt es nichts zu verschleiern. Er sieht das ganz nüchtern: „Jeder, der eine Beziehung zu seinem Wild hat, weiß, dass es auch Zeiten des Erntens gibt.“
Entscheidend ist für ihn, wie man die Tiere entnimmt, wie er als Jäger sagt: „Man ballert nicht einfach darauf los, man hat das Stück – wenn es sich zum Beispiel um ein Reh handelt – schon lange beobachtet und man tut alles, dass man sich beim Schuss sicher ist.“ Die symbolischen Handlungen nach dem Schuss unterstreichen den Respekt, den Jäger dem erlegten Wild entgegenbringen. „Ich gebe dem Wild den letzten Bruch in den Äser, mit dem zweiten Bruch wird über die Wunde gestrichen.“ Heißt übersetzt: Der Jäger bricht sich kleine Zweige von einem Baum und gibt den einen Teil dem erlegten Tier als letzte Fütterung ins Maul, den anderen Teil steckt er sich auf den Hut, nachdem er über die Schusswunde gestrichen hat.
Propst Markus hat heuer schon mehrere Rehböcke geschossen, angefangen vom Maibock bis zum Erntebock im August. Er macht darauf aufmerksam, dass Wildfleisch ein hochwertiges Lebensmittel ist – da es nicht aus der Massentierhaltung kommt. Er kauft selbst immer wieder Stücke für die Chorherrengemeinschaft oder für Verwandte und Freunde. In der Hoffnung, dass er einen Teil davon bei einer Einladung veredelt wieder zurückbekomme, wie er lachend meint. «
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