Wort zum Sonntag
Die „Ordensgemeinschaften Österreich“ wollen präsent, relevant und wirksam sein. Warum muss man das 2021 dazusagen? Wie relevant waren Ordensgemeinschaften vor 60 Jahren?
Sr. Christine Rod: Vor 60 Jahren haben die Ordensgemeinschaften einen zahlenmäßigen Gipfel erreicht wie selten zuvor. Das war knapp vor dem „Absturz“, den man sich aber nicht vorstellen konnte. Was da noch an Ordenshäusern, Schulen, Niederlassungen gebaut worden ist! In den 1970er-Jahren folgten dann Massenaustritte und der Knick in den Eintritten. Erfolgreiche Institutionen sind es gewöhnt, erfolgreich zu sein. Daher sind erfolgreiche Organisationen besonders gefährdet, weil sie verlernt haben zu lernen, sich ständig zu verändern, sich den Umweltbedingungen anzupassen. Dasselbe passierte in den letzten Jahrzehnten Ordensgemeinschaften, der Kirche insgesamt, aber auch Parteien und Gewerkschaften. Sie haben es weitgehend nicht geschafft, den sich verändernden Kontext zu erkennen und zu reagieren. Das führte zum Bedeutungsverlust.
Wie verändern sich Orden erfolgreich?
Rod: Es gibt zum Beispiel jüngere Ordensfrauen, die tolle Sachen machen. Wir haben aber viele ältere Mitschwestern, die gerne in Gedanken der Vergangenheit nachhängen. Die Jüngeren haben eine andere Lebensweise. Dadurch entstehen Parallelstrukturen in den Orden. Orden, die früher in großen Gemeinschaften und großen Häusern lebten, gehen bewusst auf Kleingemeinschaften über. Das ist die normale Lebensart. Die älteren Mitschwestern, die das Beste ihrer Lebenskraft gegeben haben, dürfen auch alt sein. Die Leitung muss das abpuffern, damit beide Lebensarten in einem Orden Platz haben.
Wieso hat die Bedeutung der Ordensgemeinschaften so stark abgenommen?
Rod: Die ursprüngliche Relevanz vieler Frauenorden etwa ist in den allgemeinen Bestand des Wohlfahrtsstaates übergegangen. Es gibt heute gute Schulen und Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft. Das waren Erfindungen der Orden, es gäbe sie nicht in dieser Form, wenn die Orden nicht so gute Arbeit geleistet hätten. Die Ordenswerke wie Ordensschulen oder Ordensspitäler haben heute professionelle Geschäftsführer/innen und pflegen ihr christliches Profil in säkularer Gesellschaft.
Wie gewinnen Orden an Bedeutung?
Rod: Der Bedeutungsverlust der Orden zeigt uns, dass Erfolgsgeschichten nicht automatisch weitergehen. Er ist eine Art kollektive Kränkung. Die Prozesse, die die Kränkung auslöst, sind nicht schlecht. Ich denke dabei oft an die biblische Erzählung von Massa und Meriba. Die Israeliten standen unter Stress, hatten nichts zu essen und zu trinken. Die Frage, die sie bewegte und die uns heute bewegt, ist: Ist Gott in unserer Mitte? Was hat Gott mit uns vor in dieser Zeit? Es ist ja nicht so, dass Orden heute gar keine Relevanz hätten, sie hat sich nur stark verändert. Die jüngeren Ordensfrauen, die ich vorher erwähnt habe, arbeiten in ganz verschiedenen Feldern. In der Umwelt-Technologie zum Beispiel, im Kampf gegen Menschenhandel, als Intensivkrankenschwester oder Theologieprofessorin.
Wie wirkt die Spiritualität der Orden?
Rod: Das Tun ist nicht alles, so wie das Sein nicht alles ist. Tun und Sein verbinden sich zum Zeichen und Werkzeug für die Gegenwart Gottes. Errungenschaften wie geregelte Gebetszeiten halten wir wach. Wir sind im guten Fall Expert/innen in Spiritualität. In manchen Ordenshäusern beschäftigt man sich mit der neuesten spirituellen Literatur, viele Orden bieten geistliche Begleitung an. Da hilft die Struktur. Wenn einzelne Ordensleute ihre Begleitung anbieten würden, wäre es nicht so wirkungsvoll, wie wenn eine Ordensgemeinschaft dahinter steht.
Welche Aufgabe haben Ordensgemeinschaften heute in der Gesellschaft?
Rod: Orden sind gesellschaftskritisch und glauben an eine andere Wirklichkeit, das nennen wir Hoffnung. Dass wir vom Wesen her gesellschaftskritisch sind, heißt aber nicht, dass wir die ganze Gesellschaft schlecht finden. Viele Orden haben ein starkes ökologisches Bewusstsein und setzen es auch um, etwa große Stifte mit ihrer Land- und Forstwirtschaft. Bildungsarbeit ist uns auch sehr wichtig. Vieles machen wir inzwischen in Kooperationen, einerseits zwischen Ordensgemeinschaften, aber auch mit anderen Organisationen. Ohne Kooperation ist die Wirksamkeit häufig begrenzt.
Welches Zeichen setzen Orden für den Glauben?
Rod: Der Pastoraltheologe Rainer Bucher spricht von einer „fluiden Gesellschaft“, einer Gesellschaft im Fluss. Den Glauben wie ein fertiges Paket weiterzugeben, funktioniert nicht mehr. Wir können Angebote machen und gute Bedingungen schaffen. Gezielt zu gestalten ist unsere Aufgabe. Wir können nicht die Hände in den Schoß legen und warten, was kommt. «
Sr. Christine Rod MC
Die Theologin und Organisationsentwicklerin war jahrelang in der Ordensleitung tätig und ist seit 2020 Generalsekretärin der Ordenskonferenz.
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