Wort zum Sonntag
Gottesdienstfeiern sind ein wesentlicher Teil des kirchlichen Lebens, neben anderen, die jetzt im Ausnahmezustand große Relevanz haben, wie zum Beispiel die Nächstenliebe alias Caritas alias Diakonie. Genauso wesentlich ist, dass Kirche Gemeinschaft ist. Daher treffen Isolationsbestimmungen die Kirche im Mark. Sie trennen.
Welche Form des Gottesdienstes der häuslichen Isolation angemessen ist, darüber diskutieren Theologen lebhaft. Eine Sonntagsmesse mithilfe eines Bildschirms – TV oder PC – mitzufeiern? Oder einen eigenen Hausgottesdienst zu gestalten? Beides hat etwas für sich. Zunächst sind es unterschiedliche Zielgruppen, die zum einen oder anderen neigen. Wichtigste Zielgruppen für Livestream- oder TV-Messen sind Alleinstehende oder Menschen, die als Einzige ihrer Hausgemeinschaft Gottesdienst feiern, Kranke ohne Besuch oder Interessierte ohne liturgische Vorerfahrung.
Um einen Hausgottesdienst selbstständig feiern zu können, braucht es einiges an liturgischer Erfahrung und Kenntnis, es braucht Information (die dank Internet großzügig verbreitet wird) und ein wenig Experimentierfreudigkeit. Nur wenige Katholik/innen haben Erfahrung mit der Vorbereitung priesterloser Hausgottesdienste. Wie wenig Vorerfahrung es in diesem Bereich gibt, macht ein Versäumnis der Vergangenheit sichtbar. Zu selbstverständlich war es, Liturgie mehr oder weniger mundgerecht serviert zu bekommen. Und Liturgie, Gottesdienst war vielfach gleichgesetzt mit Eucharistiefeier. Dass es eine ganze Fülle von Gottesdienstformen gibt, trat in den Hintergrund. Von der jüngsten Synode noch frisch im Gedächtnis ist Amazonien, wo Gemeinden ihr kirchliches Leben über Wochen oder Monate ohne Priester gestalten (müssen). Dass das nicht wünschenswert, sondern ein Notstand ist, darin stimmen die meisten überein. Aber es ist möglich. Was bedeutet das für die häusliche Isolationsphase der Coronazeit?
„Ein Fern-Gastmahl ist einigermaßen absurd“, spitzt es der tschechische Priester und Religionsphilosoph Tomáš Halík zu. Er erinnert an die Reaktion der Juden auf die Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 n. Chr.: „Den Altar des zerstörten Tempels ersetzte der Tisch der jüdischen Familie.“ Die Kirchen stehen noch. Doch die Chance, die in der Krise liegt, gilt es zu nützen. Die liturgische Kompetenz und Vielfalt können gestärkt daraus hervorgehen. Der Wiener Pastoralamtsleiter Markus Beranek ermutigt die Katholik/innen, „in diesem Jahr ihre eigene Berufung zum Segnen neu zu entdecken“. Palmzweige und Osterspeisen, das Osterfeuer im Garten, die selbstgeschmückte Osterkerze oder Wasser für die Tauferneuerung – das Segnen war noch nie den Priestern vorbehalten, nur hatten wir das fast vergessen. Auch beten, singen, lesen, leiten gehören zum priesterlosen Hausgottesdienst. Die Erfahrung der Selbstverantwortung wird die Qualität der Messfeiern verändern, wenn „nach Corona“ wieder in größerer Gemeinschaft gefeiert wird. Es ist ein Reifeschub zum erwachsenen Christsein.
Der Pastoraltheologe Johann Pock hält den Vorschlag, Ostern hinter verschlossenen Kirchentüren zu feiern, für ein „fatales Zeichen“. Was, wenn die Kirchen 2020 konsequent leer und offen blieben? Wenn auch die Priester (womöglich mit Hausgemeinschaft, Haushälterin oder Verwandten) im Wohn- oder Esszimmer Osterliturgie feierten? Auch sie würden vom Perspektivenwechsel profitieren und gleichzeitig Solidarität zeigen
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