Wort zum Sonntag
Wieso sind mit dem Papstbesuch im Südsudan so große Hoffnungen verbunden, dass dadurch endlich dauerhaft Friede gelingt?
Hans Rauscher: Weil die christlichen Kirchen im Südsudan die einzigen Institutionen sind, die überhaupt was weiterbringen. Während des Papstbesuchs hat Präsident Salva Kiir zugesichert, dass er nach monatelanger Unterbrechung wieder in die Friedensverhandlungen einsteigt. Die Politik steht unter dem Einfluss der großen Kirchen, was man sehr positiv sehen muss. Diese haben zudem im Südsudan eine enge ökumenische Beziehung, das ist aus meiner Sicht einer der Hauptgründe, warum das Land noch nicht komplett untergegangen ist.
Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Friedensmarsch von Rumbeks Bischof Christian Carlassare anlässlich des Papstbesuchs?
Rauscher: Das ist ein großes Hoffnungszeichen. Carlassare wurde vor zwei Jahren bei einem Mordanschlag schwer verletzt und dennoch setzt er auf Versöhnung. Carlassare wurde bei seinem Marsch von dutzenden Jugendlichen begleitet, die aus mehreren Clans stammen, zwischen denen Feindseligkeiten herrschen. Sie wollten eine Botschaft von Wandel und Einheit senden. Gemeinsam sind sie durch die Dörfer gezogen, um die Friedensbotschaft durch das Aufführen von Straßentheater zu verbreiten.
Nur wenige Stunden vor Ankunft des Papstes erschütterte erneut eine Gewalttat das Land. 21 Menschen wurden getötet. Was waren die Hintergründe?
Rauscher: Die Situation dort ganz im Süden des Staates hat sich schon länger zugespitzt. Viehhirten sollten eigentlich per Verordnung das Land verlassen und zu ihren ursprünglichen Gebieten zurückkehren. Als sie das verweigerten, haben junge bewaffnete Männer aus einem Dorf die Hirten angegriffen, dabei sieben Menschen und hunderte Rinder getötet. Als Vergeltung wurden 21 unschuldige Menschen aus dem Dorf getötet. Leider ist das ein typischer Konflikt.
Inwiefern ist das typisch?
Rauscher: Die meisten Menschen im Südsudan fühlen sich nur in Clans und Stammesverbünden sicher. Wer außerhalb des Stammes ist, gilt als Feind, dem man alles wegnehmen muss. Das heißt, die universale Gültigkeit von Menschenwürde ist in den Köpfen nicht verankert. Als Österreicher bin ich deshalb im Südsudan weniger gefährdet als jemand, der vom falschen Stamm ist. Der Grundkonflikt im Südsudan liegt zudem in der Zweiteilung der Gesellschaftsstruktur begründet. Es gibt die Landbauern, die sesshaft sind und die Hirten, die Rinderzucht betreiben und meistens bewaffnet sind. Die regierenden Eliten, also die Stämme der Dinka und Nuer, vertreten nur die Interessen der Rindernomaden. Die normalen Bauern haben wenig Chancen bei Übergriffen von Rindernomaden. Der Staat hat außerdem nie wirklich dafür gesorgt hat, dass der Besitz des sesshaften Bauern juristisch geschützt wird.
Ein großer Teil der Bevölkerung ist bewaffnet. Ist eine flächendeckende Entwaffnung überhaupt realistisch?
Rauscher: In Rumbek, im Norden des Südsudan, wurde die gesamte Bevölkerung entwaffnet. Das hat dazu geführt, dass es in diesem Landesteil sicherer ist. Also ist es grundsätzlich möglich. Im restlichen Südsudan scheitert die Entwaffnung aber leider bisher an der Vetternwirtschaft und der Korruption.
Was braucht es von der Entmilitarisierung abgesehen noch für eine friedliche Entwicklung?
Rauscher: Frauenarbeit ist der wichtigste Ansatzpunkt. Das heißt, dass Frauen als Erzieherinnen der Kinder gestärkt werden. Das ist der Grund, weshalb wir mit unserer Hilfsorganisation PRO SUDAN ein Frauenbildungszentrum errichtet haben. Je gebildeter die Frauen sind, desto mehr positiven Einfluss haben sie auf ihre Kinder und können die Buben davon abhalten, als bewaffnete Hirten loszuziehen. Klar ist, dass es für die Kinder natürlich auch gute Ausbildungsmöglichkeiten braucht.
Bericht über die Reise von Papst Franziskus in den Kongo und Südsudan
Wort zum Sonntag
Jetzt die KIRCHENZEITUNG 4 Wochen lang kostenlos kennen lernen. Abo endet automatisch. >>