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Die größte Herausforderung in den Familien ist, dass Mediennutzung nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern selbst betrifft. Auch sie tendieren manchmal dazu, wie viele Menschen, am Handy zu hängen, verfallen der Sogwirkung des Digitalen. „Auch Mutter und Vater lenken sich mit digitalen Medien ab. Deshalb sollten sie sich bewusst machen, wie viel Zeit sie mit dem digitalen Gerät verbringen und wie viel in der Offline-Welt“, sagt Andrea Holzer-Breid vom Team der Familienberatung der Diözese Linz.
Eine Möglichkeit, die Verwendung von Handy und Co. innerhalb der Familie zu regeln, ist der Mediennutzungsvertrag. So einen hat Holzer-Breid für Eltern ausgearbeitet, und zwar auf Basis des Vertrags für Kinder im Netz (siehe Kasten am Artikelende). Dort kann eingetragen werden, zu welchen Zwecken digitale Medien genutzt werden sollen, wann und wo sie nicht genutzt werden sollen, weitere Vereinbarungen, die für das jeweilige Elternpaar bzw. die Familie wichtig sind. Das Abendessen kann eine medienfreie Tageszeit sein oder das Schlafzimmer ein medienfreier Ort. „Sind alle Vereinbarungen getroffen, unterschreiben die Partner.
Grundsätzlich ist es wichtig, sich zu überlegen, „wie wir eigentlich leben wollen“, sagt Andrea Holzer-Breid. Sie gibt das Beispiel eines dreifachen Familienvaters, der das Gefühl hat, seine Frau hängt nur am Handy und er sei ihr gar nicht wichtig. Sie gibt an, abends nun mal keine tiefgründigen Gespräche mehr führen zu können. „Im Laufe der Beratung erkannten wir, dass das, was ihnen fehlte, Lebendigkeit war – Spaß, Leichtigkeit, Lustvolles.“ Die Beraterin rät in solchen Fällen, sich ein Gegenprogramm zur digitalen Welt zu schaffen und zu überlegen: „Was macht uns als Paar und als Familie lebendig?“ Wichtig sei, eine andere Ebene anzusprechen als das Gehirn, indem man zum Beispiel miteinander spielt, tanzt, Musik macht oder abends noch ein wenig hinaus in die Natur geht.
Weiters erzählt Andrea Holzer-Breid von einer Familie, die vor oder am Beginn eines Wochenendes zusammensitzt und eine “Herzensrunde“ veranstaltet. Handys und andere Geräte werden dabei weggelegt und ausgeschaltet. Eltern und Kinder legen dar, was sie gerade beschäftigt, was ihnen wichtig ist und was sie sich für das Wochenende wünschen. „Alle Bedürfnisse sollen dabei gesehen, wahrgenommen und gehört werden. Natürlich können nicht alle Wünsche sofort erfüllt werden. Deshalb ist es wichtig, festzulegen, was man sofort umsetzt und was erst später – und zu welchem konkreten Datum.“ So fühlen sich die Kinder in ihren Bedürfnissen ernst genommen.
Gerade beim Thema digitale Medien braucht es Grenzen, da sie – die Medien – auch Suchtpotenzial bieten. „Jugendliche müssen mindestens 50 Prozent des Tages in der OfflineWelt verbringen“, sagt Andrea Holzer-Breid. Der Dopaminspiegel (Dopamin ist der Botenstoff, der im Volksmund oft als „Glückshormon“ bekannt ist) solle am besten anders als durch das Internet aufgefüllt werden: durch Aktivitäten in der „echten“ Welt. Eltern sollten neben dem Setzen von Grenzen ihre Kinder auch dabei unterstützen, herauszufinden, was ihnen Spaß macht: Mopedfahren, Skateboarden, Tennisspielen, Mitglied bei der Feuerwehr sein usw. „Schließlich müssen die Kinder und Jugendlichen später als Erwachsene auch wissen, wie sie sich (und ihre Mediennutzung) organisieren“, sagt Holzer-Breid.
Von Strafen allerdings hält die Beraterin nichts. Besser als dieses autoritäre Denkmuster sei es, mit den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zu sprechen und zu erklären, warum es zum Beispiel nur eine gewisse Zeit am Handy oder am Computer sein darf.
Hilfreich für Eltern sind sicherlich die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, mit welchem Alter und wie lange Kinder welche Medien maximal nutzen sollten. Darauf Bezug nehmend verweist Andrea Holzer-Breid darauf, dass Kinder unter drei Jahren am besten gar nicht mit Bildschirmen in Kontakt kommen. Für so kleine Kinder sei es eine Be- und Überlastung, zum Beispiel Fernseher oder Tablet ausgesetzt zu sein. „Es gibt Kinder, die können nicht mehr sprechen, weil sie zu viel Zeit am Bildschirm verbracht haben. Es verändert etwas im Gehirn“, sagt Holzer-Breid.
Das Internet birgt nicht nur viel Aufregendes, sondern mitunter auch Gefährliches. Andrea Holzer-Breid rät, bei den Kindern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass zum Beispiel Bilder und Videos nicht gelöscht werden und von Dritten für irgendwelche Zwecke entfremdet werden können. Bei Onlinespielen seien Suchtmechanismen eingebaut, um das Spielverhalten so zu beeinflussen, dass es besonders spannend sei und die Bereitschaft steige, echtes Geld dort auszugeben, um etwa ein Level zu schaffen. Und nicht zuletzt werden auf Social Media Personen und Ereignisse oft besser dargestellt, als sie tatsächlich sind. Die Familienberaterin rät, immer kritisch zu sein und Online-Inhalte in Frage zu stellen.
Zur sicheren Internetnutzung erfahren Kinder auch viel Wissenswertes auf unserer Kinderseite 30.
www.mediennutzungsvertrag.de
www.kindergesundheit-info.de
www.mimikama.org
www.saferinternet.at
www.digi4family.at
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