Sein Name ist in Österreich kaum bekannt, sein Schicksal schon eher. Der Regisseur Louis Malle setzte dem außergewöhnlichen französischen Karmelitenpriester P. Jacques de Jésus mit dem Film „Auf Wiedersehen, Kinder“ ein berührendes Denkmal. Der Titel greift den Anlass seiner Verhaftung auf. Jacques de Jésus (1900–1945) leitete eine Ordensschule in Avon in der Nähe von Paris. Anfang des Schuljahres 1942/43 nahm er – mit Wissen seines Oberen – drei jüdische Kinder unter falscher Identität in sein Internat auf, um sie vor der Verfolgung der Nationalsozialisten zu schützen. Das ging bis zum 15. Jänner 1944 gut. Als die drei jüdischen Buben und P. Jacques abgeführt wurden, hat er sich von den zurückbleibenden Schülern mit dem Filmtitel gebenden Gruß verabschiedet: „Auf Wiedersehen, Kinder.“ Seine Zöglinge haben frenetisch applaudiert, was bei dem leitenden Gestapo-Beamten einen Wutausbruch hervorrief.
Die drei Kinder wurden umgehend nach Auschwitz deportiert. P. Jacques Weg führte ihn am 22. April 1944 ins KZ Mauthausen und schließlich in das KZ Gusen. Die Mithäftlinge beschreiben den Karmelitenpater als besondere Persönlichkeit. Überall blieb er als Mensch im Gedächtnis, der anderen Häftlingen half und Trost spendete. Er organisierte Kleidung, Essensrationen und betrieb Seelsorge, so weit dies in diesem Umfeld möglich war. Manche Häftlinge sahen in ihm den Nachfolger des Priesters Johannes „Papa“ Gruber, der am 7. April 1944 im KZ Gusen ermordet worden war.
Beim Gedenkgottesdienst am 2. Juni 2025 in der Karmelitenkirche in Linz ging Bischof Manfred Scheuer in der Predigt auf die geistlichen Fundamente der Spiritualität von P. Jacques ein: „Père Jacques de Jésus war ein Mann auf der Suche nach dem Absoluten. Das verbindet ihn mit dem Propheten Elija, mit Teresa von Ávila, Johannes vom Kreuz und der kleinen heiligen Therese.“ Der Bischof wies dabei besonders auf Therese von Lisieux hin, die in ihrer Spiritualität des „kleinen Wegs“ betont, dass Gott nicht auf die Größe unserer Werke, sondern auf die Liebe, mit der sie getan werden, achtet. Selbst im KZ Gusen, in der „Hölle der Höllen“, wie das Lager genannt wurde, betete P. Jacques jeden Tag das Weihegebet an die barmherzige Liebe von der kleinen Heiligen von Lisieux. „Es war seine Karmel-Spiritualität, die ihn barbarische, gott- und menschenverachtende Ideologien durchschauen ließ und ihm die Empathie und Solidarität mit den Geschundenen vermittelte“, sagt Bischof Scheuer in der Predigt und zitiert die Erfahrung eines Mitgefangenen von P. Jacques: „Unsere kleine Gruppe, die P. Jacques umgab, hat immer gegen den, wie man sagte, ‚gusenschen‘ Geist gekämpft, das heißt gegen den eingezäunten Geist … Wir haben nie aufgehört, den Geist hochzuhalten, gegen diese geistige ‚Entwertung‘ zu kämpfen, die im Lager häufig war. Wir wurden nicht vom Wind des Terrors, der Brutalität, des Schmutzes verseucht, der in unserem alltäglichen Leben blies, weil P. Jacques da war.“ Allen, ob Gläubigen oder Nichtgläubigen, Franzosen oder Ausländern, bezeugt er aktiv die Würde des Menschen, der nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist, fasst Bischof Scheuer den Einsatz von P. Jacques zusammen.
Bei der Befreiung des Lagers am 5. Mai 1945 ist P. Jacques de Jésus am Ende seiner Kräfte, er muss gepflegt werden und kommt schließlich in das Krankenhaus der Elisabethinen. Der an Lungentuberkulose leidende Karmelit ist so schwach, dass er auch mit der Schwester, die französisch spricht, kaum mehr kommunizieren kann. Seine Persönlichkeit und sein Glaube hinterlassen aber einen solchen Eindruck, dass die Elisabethinen bis heute sein Andenken ehren. An seinem Todestag, dem 2. Juni, wird jährlich in der Gemeinschaft für ihn gebetet, beim Eingang zu seinem Sterbezimmer ist eine Gedenktafel angebracht und die eine oder andere Schwester ist ihm persönlich verbunden, erzählt die Generaloberin Sr. Barbara Lehner. Auch sie selbst vertraut sich seiner Fürsprache an: „Wenn ich in schwierigen Situationen bin, bete ich eine Novene zu P. Jacques.“
Der Leichnam des im 46. Lebenjahr verstorbenen Karmeliten P. Jacques de Jésus wurde in seine Heimat überführt, wo man ihn an seiner Wirkungsstätte Avon bestattete und ihm 2021 ein Denkmal setzte. Für seine Ordensgemeinschaft gilt er als Märtyrer. Der Seligsprechungsprozess ist seit 2006 abgeschlossen. Die weiteren Schritte liegen nun beim Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungen in Rom.
Zum Bild 1: Beim Festgottesdienst zum Todestag von P. Jacques de Jésus in der Linzer Karmelitenkirche (von links): Sr. Barbara Lehner, Generaloberin der Elisabethinen, P. Paul Saji OCD, Provinzial der österreichischen Karmeliten, Bischof Manfred Scheuer, P. Benno Maria Skala OCD und Reinhard Kaspar vom „Papa Gruber“-Kreis in St. Georgen an der Gusen.
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