Dutzende Bewerbungen hat Dalian in den letzten Monaten geschrieben. „Die meisten bleiben unbeantwortet, der Rest sind Absagen“, erzählt die 21-Jährige, die in Haid wohnt. Sie macht seit zwei Jahren eine überbetriebliche Lehre in Linz im Projekt she:works als IT-Systemtechnikerin. Zum Abschluss der Lehre muss sie aber an einen Betrieb wechseln, und dafür bleibt nur noch wenig Zeit.
Dalian geht davon aus, dass die meisten ihrer Bewerbungen kein Mensch jemals zu Gesicht bekommt, sondern ein KI-Filter aussiebt anhand von Kriterien, die ihr niemand mitteilt. Das eine Vorstellungsgespräch, zu dem sie eingeladen wurde, verlief ebenso enttäuschend: „Die haben lieber einen 15-jährigen Burschen genommen, der nicht einmal genau wusste, was IT-Systemtechnik ist.“ Sie versteht nicht, wieso es bei den Firmen nicht funktioniert. „Denn ich bin gut in meinem Job.“
Die gleichen frustrierenden Erfahrungen muss Dalians Kollegin Lujain machen. Trotz guter Noten hagelt es Absagen für die 23-Jährige. Auch sie absolviert ihre überbetriebliche Lehre bei she:works und braucht für ihren Lehrabschluss als Applikationsentwicklerin eine Stelle in einem Unternehmen. Die Linzerin bewirbt sich auf freie Stellen in ganz Österreich und Deutschland. Lujain, die in Syrien geboren wurde und seit fünfeinhalb Jahren in Österreich lebt, möchte unbedingt in ihrem Traumberuf Fuß fassen. Sie merkt aber, dass der Druck vonseiten des Arbeitsmarktservice (AMS) steigt, sie am Ende vielleicht doch an irgendeine Stelle zu vermitteln, die mit Computer und IT nichts zu tun hat.
Dalian und Lujain sind nicht allein mit ihrer Situation. Viele Jugendliche in Österreich kämpfen mit ähnlichen Herausforderungen. Die jüngsten Zahlen für April 2025 zeigen einen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit um 10,9 Prozent, die Zahl der Lehrstellensuchenden stieg gar um 19,4 Prozent. Insgesamt lag die Arbeitslosenquote bei den unter 25-Jährigen bei 7
Prozent.
Hinter den nackten Zahlen verbergen sich viele Einzelschicksale. Wie es den arbeitssuchenden Jugendlichen geht und was ihre Anliegen sind, war etwa auch Thema bei der Veranstaltung „Jugend im Dialog“ am 21. Mai. Das Projekt von Arbeiterkammer und mehreren kirchlichen Teilorganisationen (siehe Kasten) brachte junge Arbeitssuchende – darunter auch Dalian und Lujain – mit Entscheidungsträger:innen ins Gespräch. „Ich habe schon das Gefühl gehabt, dass uns zugehört wurde“ berichtet Dalian im Gespräch mit der Kirchenzeitung, das kurz nach der Veranstaltung stattfand.
Dalian und Lujain hoffen, dass den Politiker:innen etwa nicht egal ist, dass sie in ihrer überbetrieblichen Lehre nur 400 Euro im Monat plus 200 Euro Familienbeihilfe zur Verfügung haben. Dass sie merken, dass man damit kaum über die Runden kommt. Und dass sie registrieren, wie stark die Mobilität eingeschränkt ist, wenn man sich weder Führerschein, Auto noch Klimaticket leisten kann. „Wir müssen überall in allen Lebensbereichen sparen“, betonen Dalian und Lujain. Auch die steigenden Ausgaben für Ärzte und Gesundheit beobachten sie mit Sorgen. So sind allein die seit heuer privat zu tragenden Kosten für die Zahnfüllungen eine große Herausforderung. Besonders wirkt sich die Geldnot aber vor allem direkt bei ihrer Ausbildung aus. Lujain und Dalian fehlen jeweils 1.200 Euro, um einen wichtigen Kurs am WIFI zu besuchen, der ihnen weiterhelfen würde, sollten sie keine betriebliche Lehrstelle finden.
Die politischen Einsparungen machen dabei derzeit wenig Mut. Ein positiver Impuls könnte dagegen von Jugend im Dialog wenigstens für den Bereich Mobilität ausgehen. So wurde eine Forderung aus dem Projekt nach einem Jugendticket für arbeitssuchende Jugendliche in das Regierungsprogramm aufgenommen. Ab 2026 soll arbeitssuchenden Jugendlichen damit ein leistbarer Weg zu Bewerbungsgesprächen, Probearbeiten oder Praktika zur Verfügung stehen.
„Jugend im Dialog“ ist ein Kooperationsprojekt von Arbeiterkammer Oberösterreich, mensch&arbeit, Bischöflicher Arbeitslosenstiftung, Team Jugend und junge Erwachsene / Katholische Jugend OÖ sowie Lehrlings- und Jugendzentrum ZOOM. Das Format findet einmal jährlich statt, heuer trafen sich rund 200 arbeitssuchende Jugendliche im Kongresssaal der Arbeiterkammer Oberösterreich mit über 60 Entscheidungsträger:innen und Verantwortlichen aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Interessensvertretungen.
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