KOMMENTAR_
Es ist das letzte große Aufblühen im Jahr, ehe die Hitze des Sommers und damit die Zeit des Reifens kommt. Jetzt zeigt sich die Natur von ihrer schönsten Seite – im Hochzeitsgewand gewissermaßen. Man darf es betrachten – und staunen.
Betrachten – und staunen. Das sind die Fähigkeiten, die dem Menschen unserer Tage so selbstverständlich geworden sind, dass er sie fast vergessen hat. Er will sich nicht so recht damit zufriedengeben! Was ist das für eine Rose? Ich will sie in meinem Garten haben! Es ist fast so, als wäre das Staunenswerte erst dann vollkommen, wenn man es selbst besitzt. Mit dem Gefallen und Genießen allein will sich der Mensch nicht so recht begnügen.
Wie glücklich darf sich ein Mensch schätzen, der sich an den Blumen in fremden Gärten freuen kann, an Bäumen, von denen er nicht selbst ernten wird, am Schönen irgendwo in freier Natur. Und ist es nicht noch schöner, zu sehen, wie andere Menschen sich darum kümmern – damit es auch mir gefällt? Und: Ich habe überhaupt keine Arbeit damit!
Die alten biblischen Geschichten, die von Besessenheit erzählen, muten uns heute ein wenig fremd an. Was wären das schon für Geister, die einen Menschen verrückt machen? Der Drang, alles Schöne selbst besitzen zu wollen, ist auch eine Art Besessenheit. Sie macht blind für all das Schöne und Gute, bloß, weil es nicht mir gehört.
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