Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung der KPH Edith Stein in Feldkirch. Die Autorin erreichen Sie unter sonntag@koopredaktion.at
In jenen Tagen stand Mose früh am Morgen auf und ging auf den Sinai hinauf, wie es ihm der HERR aufgetragen hatte. Die beiden steinernen Tafeln nahm er mit. Der HERR aber stieg in der Wolke herab und stellte sich dort neben ihn hin. Er rief den Namen des HERRN aus. Der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber und rief: Der HERR ist der HERR, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue. Sofort verneigte sich Mose bis zur Erde und warf sich zu Boden. Er sagte: Wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, mein Herr, dann ziehe doch, mein Herr, in unserer Mitte! Weil es ein hartnäckiges Volk ist, musst du uns unsere Schuld und Sünde vergeben und uns dein Eigentum sein lassen!
Brüder und Schwestern, freut euch, kehrt zur Ordnung zurück, lasst euch ermahnen, seid eines Sinnes, haltet Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt einander mit dem heiligen Kuss! Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.
Es ist eine ganz erstaunliche Logik, die uns in den Texten heute entgegenkommt: „Weil es ein hartnäckiges Volk ist, musst du uns unsere Schuld und Sünde vergeben!“, argumentiert Mose bei seiner Gottesbegegnung am Berg Sinai. Also nicht: „Eigentlich haben wir alles richtig gemacht“, oder: „Der und der ist an der Misere schuld“. Nein, für Mose ist klar, dass das ganze Gottesvolk immer wieder Fehler macht. Und weil das so ist, tut nicht Gericht Not, sondern Vergebung und Rettung. Genau dazu, so der Evangelist Johannes, ist Gottes Sohn in diese Welt gekommen. Hat das auch etwas mit unserem, mit meinem Leben zu tun? Sehr viel, habe ich als junge Theologiestudentin von meinem Dogmatikprofessor Raymund Schwager gelernt. Er hat uns nämlich nahegebracht, wie sehr wir als Menschen spontan dazu neigen, anderen die Schuld an unseren Problemen zuzuschreiben, über sie zu richten, sie zu Sündenböcken zu machen. Dieses gegenseitige Verurteilen und Abschieben von Verantwortung begleitet uns seit unseren Anfängen, quasi seit Adam und Eva. Nicht Gott richtet uns, sondern wir Menschen halten Gericht übereinander und schaffen uns so gegenseitig die Hölle auf Erden. Denn wer in einer solchen Kultur Fehler ein-gesteht, muss mit Verurteilung bis hin zum sozialen Tod rechnen. Und so werden – auch aus Angst – die eigenen Fehler fleißig weiter auf andere abgewälzt.
Fehlerfreundlich ist das nicht. Und gelernt wird auf diese Weise auch nicht viel. Viel befreiender – ja tatsächlich rettend – ist die Erfahrung, dass jemand um meine Fehler weiß und mich dennoch nicht verurteilt. Erst so kann ich zu meinen Fehlern stehen. Erst so wird Veränderung möglich.
Zum Weiterdenken
- Was hilft mir, zu meinen eigenen Fehlern und Schwächen zu stehen?
- Wie kann ich in meiner Familie, im Freundeskreis, in meinem Arbeitsumfeld zu einer Kultur der Fehlerfreundlichkeit beitragen?
Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung der KPH Edith Stein in Feldkirch. Die Autorin erreichen Sie unter sonntag@koopredaktion.at