Franziskanerin von Vöcklabruck, Theologin und Pädagogin.
sonntag@koopredaktion.at
So spricht Gott, der Herr: Ich selbst nehme vom hohen Wipfel der Zeder und setze ihn ein. Einen zarten Zweig aus ihren obersten Ästen breche ich ab, ich selbst pflanze ihn auf einen hohen und aufragenden Berg. Auf dem hohen Berg Israels pflanze ich ihn. Dort treibt er dann Zweige, er trägt Früchte und wird zur prächtigen Zeder. Alle Vögel wohnen darin; alles, was Flügel hat, wohnt im Schatten ihrer Zweige. Dann werden alle Bäume des Feldes erkennen, dass ich der Herr bin. Ich mache den hohen Baum niedrig, den niedrigen Baum mache ich hoch. Ich lasse den grünenden Baum verdorren, den verdorrten Baum lasse ich erblühen. Ich, der Herr, habe gesprochen und ich führe es aus.
Wir sind also immer zuversichtlich, auch wenn wir wissen, dass wir fern vom Herrn in der Fremde leben, solange wir in diesem Leib zu Hause sind; denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende. Weil wir aber zuversichtlich sind, ziehen wir es vor, aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein. Deswegen suchen wir unsere Ehre darin, ihm zu gefallen, ob wir daheim oder in der Fremde sind. Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat.
Er sagte: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät; dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da. Er sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben? Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.
Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten. Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war.
Bei einem Spaziergang in der Natur kann man viel Schönes beobachten. Was man da so sehen, hören, fühlen, riechen und genießen kann, nimmt man allzu oft nur oberflächlich wahr. Doch: Halt! Man kann sich auch aktiv darum bemühen, dass man nichts Wesentliches übersieht. Es braucht Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit, um nicht nur Auffälliges wahrzunehmen, sondern auch die unscheinbare Blume am Wegrand zu sehen, den Wind an der Backe zu spüren, die Ameise am Boden wahrzunehmen oder auf die Stimmen der Vögel zu hören.
Dieses kleine Senfkorn ist zwar unscheinbar, kann aber viel in Bewegung bringen. In diesem Gleichnis Jesu vom Reich Gottes ist von einer groß gewordenen Pflanze die Rede, in deren Schatten sich Vögel einnisten können. Damit das möglich ist, braucht es ideale Möglichkeiten für eine gute Entfaltung.
Immer wieder überrascht es mich, wie kleine Veränderungen auch in unserem Leben Großes bewirken können. Etwas beginnt unscheinbar und zieht dann weitere Kreise. Es tut gut, das bewusst wahrzunehmen, und manchmal braucht es mutige Menschen, welche noch die nötigen Impulse für eine neue Entwicklung setzen.
Viele Veränderungen, Neuerungen, Revolutionen und Innovationen wurden aufgrund von Anregungen durch Einzelpersonen erst möglich. Vielleicht liegt es an uns, ein „Senfkorn“ groß werden zu lassen, ihm Erde, Licht, Wasser und Wärme zu geben, dass es aufleben kann, dass es sich entfalten kann und groß werden kann, damit die Vögel des Himmels in seinem Schatten nisten können?
Welches sind die „Senfkörner“ meines Lebens?
Gibt es Unscheinbares in meinem Leben, das groß werden möchte? Kann ich Bedingungen für optimale Entwicklungen schaffen?
Franziskanerin von Vöcklabruck, Theologin und Pädagogin.
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