ist Theologin und Religionspädagogin und leitet das Schulamt der
Diözese Feldkirch.
- sonntag@koopredaktion.at
Mit eindringlichen Worten verkündet der Prophet Jesaja eine neue Zeit. Altes erlischt, verliert an Bedeutung – Neues ist da und macht sich schon bemerkbar.
So spricht der Herr, der einen Weg durchs Meer bahnt, einen Pfad durch gewaltige Wasser, der Wagen und Rosse ausziehen lässt, zusammen mit einem mächtigen Heer; doch sie liegen am Boden und stehen nicht mehr auf, sie sind erloschen und verglüht wie ein Docht. Der Herr spricht: Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues. Schon sprießt es, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Wüste und Flüsse durchs Ödland.
Die wilden Tiere werden mich preisen, die Schakale und Strauße, denn ich lasse in der Wüste Wasser fließen und Flüsse im Ödland, um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken. Das Volk, das ich mir geformt habe, wird meinen Ruhm verkünden.
Paulus schreibt in persönlichen Worten, wie sehr er bereit ist, sein Leben auf Jesus Christus auszurichten und die Gerechtigkeit Gottes zu suchen.
Ich halte dafür, dass alles Verlust ist, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles überragt. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm erfunden zu werden. Nicht meine Gerechtigkeit will ich haben, die aus dem Gesetz hervorgeht, sondern jene, die durch den Glauben an Christus kommt, die Gerechtigkeit, die Gott schenkt aufgrund des Glaubens. Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden, indem ich seinem Tod gleich gestaltet werde. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen. Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. Brüder und Schwestern, ich bilde mir nicht ein, dass ich es schon ergriffen hätte. Eines aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.
Die heutige Bibelstelle gilt als eines der markantesten Zeugnisse jesuanischer Weisheit. Unrecht kann nicht durch Steinigung eines Sündenbocks aus der Welt geschafft werden, aber wir können von ihm ablassen.
In jener Zeit ging Jesus zum Ölberg. Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel. Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte es. Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Mit diesen Worten wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!
Wort zum Evangelium
Die Erzählung von Jesus und der Ehebrecherin gehört aller Wahrscheinlichkeit nicht zur ursprünglichen Fassung des Johannesevangeliums. Dennoch erfolgte im 4. Jh. die Aufnahme in den Kanon. Begründet lag dies im frühkirchlichen Verständnis der Taufe, durch deren erlösende Wirkung schwerwiegende Sünden, wie Abfall vom Glauben, Mord oder Ehebruch nicht mehr vorkommen sollten. Dieses hohe Ideal einer „reinen Kirche“ ließ sich jedoch nicht durchhalten. Die frühkirchliche Bußlehre suchte nach einem zweiten Rettungsanker für sündig gewordene Gläubige – das Handeln Jesu im heutigen Text ist Vorbild. Jesus setzt der Aufforderung zum Urteilspruch über die Ehebrecherin sein Schweigen und Schreiben in den Sand entgegen. Er steigt auf die aufgeheizte Dynamik nicht ein, stattdessen spricht er einen alles entscheidenden Satz: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“. Ab da löst sich die Situation auf und die potentiellen Steinewerfer sind von nun an verwiesen auf sich selber und ihren Anteil am Unrecht. Jesus begegnet der Frau, die eben noch der schweren Sünde bezichtigt wurde, auf Augenhöhe. Er traut ihr zu, Verantwortung für ihr Leben, frei von altem Unrecht, zu übernehmen. Inspiriert von einem Text Karl Rahners, führt mich die Stelle zu unserer aktuellen Kirchensituation. Rahner vergleicht die Ehebrecherin mit der Kirche. Ja, die Kirche hat ihre dunklen Seiten. Missbrauch, Geschlechterungerechtigkeit, Klerikalismus – da gibt es nichts zu beschönigen. In der Logik des Bibeltextes geht es jedoch nicht um ein Urteilen und Finden eines Sündenbockes. „Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr!“ kann die Kirche und ihre Verantwortungsträger/innen hingegen ermutigen und auffordern zu einem beherzten Aufgeben von erkannten sündigen Strukturen. Nicht irgendwann, sondern „von jetzt an“!
Selbstgerechtigkeit und Aburteilung anderer - wer kennt diese Reaktion angesichts von Unrecht nicht. Wozu inspirieren Sie hingegen Jesu Haltung und Worte im heutigen Evangelium?
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