Sie ist promovierte Theologin, Krankenhausseelsorgerin in der Privatklinik Hochrum und Organisationsberaterin.
sonntag@koopredaktion.at
„Wer kann Gottes Plan erkennen?“ – diese Frage stellen wir uns in Zeiten der Unsicherheit. Vertrauen und Hoffnung sind es, was wir brauchen.
Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen oder wer begreift, was der Herr will? Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen und einfältig unsere Gedanken; denn ein vergänglicher Leib beschwert die Seele und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Verstand. Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt; wer ergründet, was im Himmel ist? Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast? So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht und die Menschen lernten, was dir gefällt; durch die Weisheit wurden sie gerettet.
„Ihn, das bedeutet: mein eigenes Herz“ – zwei wurden miteinander vertraut – im Gefängnis, in einer Situation großer Unsicherheit. So sind sie einander ans Herz, ja: ins Herz gewachsen.
Lieber Bruder! Ich, Paulus, ein alter Mann, jetzt auch Gefangener Christi Jesu, ich bitte dich für mein Kind Onésimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin. Ich schicke ihn zu dir zurück, ihn, das bedeutet mein Innerstes. Ich wollte ihn bei mir behalten, damit er mir an deiner Stelle dient in den Fesseln des Evangeliums. Aber ohne deine Zustimmung wollte ich nichts tun. Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein. Denn vielleicht wurde er deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn. Wenn du also mit mir Gemeinschaft hast, nimm ihn auf wie mich!
Jesus nachfolgen – ein großer Schritt ins Ungewisse. Was heißt es für die Zuhörenden sich selbst, ihre Bindungen oder ihren Besitz aufzugeben?
In jener Zeit begleiteten viele Menschen Jesus; da wandte er sich an sie und sagte: Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein. Denn wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertigstellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen. Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden. Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.
Paulus schickt einen entlaufenen Sklaven an seinen früheren Herrn zurück. Das, was Jesu Botschaft für die Menschen der damaligen (und auch der heutigen) Zeit so staunenswert und attraktiv gemacht hat, ist der Gedanke der Gleichwertigkeit im Menschsein. Ein Sklave kann durch die Taufe zum Bruder seines ehemaligen Herrn werden: „Nimm ihn als deinen Bruder an!“, bittet der Apostel. Christi Botschaft hinterfragt die Bewertungen im menschlichen Miteinander, mit denen wir Unterschiede konstruieren. Das, was für uns wichtig ist: Status, Besitz, Talent, öffentliche Anerkennung, ist in den Augen Jesu nicht bedeutsam. Wichtig ist vielmehr, wie wir einander begegnen, wie wir uns füreinander und für die frohe Botschaft öffnen und wie wir einander „Nützliche“ (das bedeutet „Onésimus!“) sein können. Eine große Frage für uns Heutige ist es auch, wie wir „vom Wissen zum Tun“ kommen, wie wir aus dem, was wir erkannt haben, zu einem neuen Verhalten gelangen. Wir wissen, was wir tun und lassen sollten angesichts der vielen Weltkrisen: des Klimawandels, der Energieknappheit, der gesellschaftlichen Spaltung … – und wir tun zu wenig, tun es zu zögerlich oder gar nicht. Für Paulus ist der Graben zwischen „Wissen und Tun“ offensichtlich kein Problem … vielleicht, weil es nicht um kognitives Wissen, sondern um einen von Liebe durchdrungenen Glauben geht, der das Tun der Menschen wirklich und wirksam verändert. Wenn wir Glauben als „mit dem Herzen wissen“ betrachten, dann verändert der Glaube unsere Haltung und unser Tun. So hat Philemon – vielleicht – tatsächlich Onésimus als seinen Bruder anerkennen können, unabhängig davon, was dieser ihm noch schuldig war. Und das, was unser Wissen heute braucht, ist: mehr Herz!
Die Nützlichkeit für Andere ist ein hohes Gut – und eine Versuchung, die bis zur Selbstaufgabe führen kann. Wie kann ich – in aller Freiheit – nützlich sein?
Sie ist promovierte Theologin, Krankenhausseelsorgerin in der Privatklinik Hochrum und Organisationsberaterin.
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