P. Josef Thorer SJ ist Spiritual im Internationalen Priesterkolleg Canisianum Innsbruck, Exerzitienbegleiter und Geistlicher Begleiter.
Um den Weg Jesu zu verstehen, konnten sich seine Anhänger auf Worte des Propheten Jesája zurückbesinnen, die einen Menschen schildern, der von Anderen verachtet, von Gott aber bestätigt wird.
Gott, der Herr, gab mir die Zunge von Schülern, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort. Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich höre, wie Schüler hören. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und meine Wange denen, die mir den Bart ausrissen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Und Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.
Jesus hat sich aus freien Stücken erniedrigt, bis dahin, dass er in Gehorsam auch den Tod auf sich genommen hat. Er hat von Gott her gerade auf diese Weise seine überragende Bedeutung erlangt.
Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: „Jesus Christus ist der Herr“ – zur Ehre Gottes, des Vaters.
Die Passion zeigt uns ein vielfältiges Verhalten von Menschen und mittendrin Jesus, der sich ihnen wehrlos aussetzt und unbeirrt seinen Weg zu Ende geht. So ist er uns nahe.
Als sich Jesus mit seinen Begleitern Jerusalem näherte und nach Bétfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger aus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir! Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen. Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist sanftmütig und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers. Die Jünger gingen und taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte. Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie und er setzte sich darauf. Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf dem Weg aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm nachfolgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe! Als er in Jerusalem einzog, erbebte die ganze Stadt und man fragte: Wer ist dieser? Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.
Matthäus 27,11-54 (Kurzfassung; Langfassung Mt 26,14–27,66)
Die Passion zeigt uns ein vielfältiges Verhalten von Menschen und mittendrin Jesus, der sich ihnen wehrlos aussetzt und unbeirrt seinen Weg zu Ende geht. So ist er uns nahe.
Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es. Als aber die Hohenpriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen? Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, sodass der Statthalter sehr verwundert war.
Jeweils zum Fest pflegte der Statthalter einen Gefangenen freizulassen, den das Volk verlangte. Damals war gerade ein berüchtigter Mann namens Bárabbas im Gefängnis. Pilatus fragte nun die Menge, die zusammengekommen war: Was wollt ihr? Wen soll ich freilassen, Bárabbas oder Jesus, den man den Christus nennt? Er wusste nämlich, dass man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte. Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, sandte seine Frau zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten! Ich habe heute seinetwegen im Traum viel gelitten.
Inzwischen überredeten die Hohepriester und die Ältesten die Menge, die Freilassung des Bárabbas zu fordern, Jesus aber hinrichten zu lassen. Der Statthalter fragte sie: Wen von beiden soll ich freilassen? Sie riefen: Bárabbas! Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jesus tun, den man den Christus nennt? Da antworteten sie alle: Ans Kreuz mit ihm! Er erwiderte: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Sie aber schrien noch lauter: Ans Kreuz mit ihm! Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, sondern dass der Tumult immer größer wurde, ließ er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache! Da rief das ganze Volk: Sein Blut – über uns und unsere Kinder! Darauf ließ er Bárabbas frei, Jesus aber ließ er geißeln und lieferte ihn aus zur Kreuzigung.
Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätórium und versammelten die ganze Kohórte um ihn. Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf das Haupt und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Sei gegrüßt, König der Juden! Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen damit auf seinen Kopf. Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Mantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an.
Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen. Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Kyréne namens Simon; ihn zwangen sie, sein Kreuz zu tragen. So kamen sie an den Ort, der Gólgota genannt wird, das heißt Schädelhöhe. Und sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Galle vermischt war; als er aber davon gekostet hatte, wollte er ihn nicht trinken. Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider, indem sie das Los über sie warfen. Dann setzten sie sich nieder und bewachten ihn dort. Über seinem Kopf hatten sie eine Aufschrift angebracht, die seine Schuld angab: Das ist Jesus, der König der Juden. Zusammen mit ihm wurden zwei Räuber gekreuzigt, der eine rechts von ihm, der andere links. Die Leute, die vorbeikamen, verhöhnten ihn, schüttelten den Kopf und riefen: Du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen? Wenn du Gottes Sohn bist, rette dich selbst und steig herab vom Kreuz! Ebenso verhöhnten ihn auch die Hohepriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten und sagten: Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten. Er ist doch der König von Israel! Er soll jetzt vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben. Er hat auf Gott vertraut, der soll ihn jetzt retten, wenn er an ihm Gefallen hat; er hat doch gesagt: Ich bin Gottes Sohn. Ebenso beschimpften ihn die beiden Räuber, die mit ihm zusammen gekreuzigt wurden.
Von der sechsten Stunde an war Finsternis über dem ganzen Land bis zur neunten Stunde. Um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eli, Eli, lema sabachtáni?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Einige von denen, die dabeistanden und es hörten, sagten: Er ruft nach Elíja. Sogleich lief einer von ihnen hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf ein Rohr und gab Jesus zu trinken. Die anderen aber sagten: Lass, wir wollen sehen, ob Elíja kommt und ihm hilft.
Jesus aber schrie noch einmal mit lauter Stimme. Dann hauchte er den Geist aus. Und siehe, der Vorhang riss im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich. Die Gräber öffneten sich und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt. Nach der Auferstehung Jesu verließen sie ihre Gräber, kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen. Als der Hauptmann und die Männer, die mit ihm zusammen Jesus bewachten, das Erdbeben bemerkten und sahen, was geschah, erschraken sie sehr und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn war dieser!
Die anderen Lesungstexte:
Evangelium vom Einzug in Jerusalem: Matthäus 21,1–11;
erste Lesung: Jesája 50,4–7;
Antwortpsalm aus Psalm 22;
zweite Lesung: Philipperbrief 2,6–11
Die Sendung Jesu strebt dem Höhepunkt zu. Jesus zieht in Jerusalem ein. Hier sollte sich sein Schicksal erfüllen. Er, der sich zuvor gescheut hat, als Messias angesprochen zu werden, lässt sich nun von seinen Anhängern feiern. Es war klar, dass dieser Einzug von den Gegnern als Provokation empfunden werden musste.
Das Mahl, das Jesus am Vorabend seines Leidens mit den Jüngern feiert, ist von ungeheurer Dichte. Judas hat schon entschieden, Jesus auszuliefern, viele andere werden sich an der Passion beteiligen, und die engsten Gefährten werden sich zerstreuen. Jesus muss allein den schweren Weg gehen – ohne Menschen, die ihn dabei ermutigen. Selbst jene, die es bei ihm aushalten, werden kaum begreifen, was da geschieht. Aber bevor es geschieht, offenbart Jesus im Mahl, wie er seinen Tod versteht – als Hingabe für die vielen, mit Fleisch und Blut. Radikaler geht es nicht. Und so ist es verständlich, dass das Mahl zur entscheidenden Feier für die Christen wird und bis heute geblieben ist, als Vergegenwärtigung seiner Person in seiner Hingabe. Das Geschehen nimmt seinen Lauf. Jesus wird gefangen genommen, verhört, verurteilt und schließlich hingerichtet. Es war vermutlich für Gegner wie für Anhänger überraschend, dass Jesus sich nicht wehrt. Und doch wirkt er in seiner Machtlosigkeit souveräner als die Mächtigen, die getrieben sind von Hass und von Angst, oder die einfach ihren Mutwillen an ihm auslassen. An ihm, an seinem Leibe wird sichtbar, was Menschen einander antun können. Indem er dies durchleidet bis zur äußersten Verlassenheit, hält er uns einen Spiegel vor, kann er uns aber auch nahe sein in unseren dunklen Stunden.
P. Josef Thorer SJ ist Spiritual im Internationalen Priesterkolleg Canisianum Innsbruck, Exerzitienbegleiter und Geistlicher Begleiter.