Otto Friedrich ist Religionsjournalist, er war bis April 2024 stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“.
Und sie werden ein Fleisch.
Gott, der Herr, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist. Gott, der Herr, formte aus dem Erdboden alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels und führte sie dem Menschen zu, um zu sehen, wie er sie benennen würde.
Und wie der Mensch jedes lebendige Wesen benannte, so sollte sein Name sein. Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen ebenbürtig war, fand er nicht. Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.
Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen. Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.
Er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle aus Einem.
Den, der ein wenig unter die Engel erniedrigt war, Jesus, ihn sehen wir um seines Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt; es war nämlich Gottes gnädiger Wille, dass er für alle den Tod erlitt.
Denn es war angemessen, dass Gott, für den und durch den das All ist und der viele Söhne zur Herrlichkeit führen wollte, den Urheber ihres Heils durch Leiden vollendete. Denn er, der heiligt, und sie, die geheiligt werden, stammen alle aus Einem; darum schämt er sich nicht, sie Brüder zu nennen.
Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
In jener Zeit kamen Pharisäer zu Jesus und fragten: Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen? Damit wollten sie ihn versuchen. Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben? Sie sagten: Mose hat gestattet, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen.
Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie männlich und weiblich erschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber.
Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Und wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch. Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht.
Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.
Einmal mehr berichtet das Markusevangelium von einer Fangfrage jener, die meinen, zu 100 Prozent „rechtgläubig“ zu sein. Einmal mehr gibt Jesus den Fragestellern zu verstehen, dass er ihnen nicht auf den Leim geht: Darf ein Ehemann seine Frau per Scheidungsbrief entlassen? Jesus verneint dies, obwohl die Tora solches vorsieht.
Jesus entlarvt das Ansinnen als (männliche) Machtausübung: Nein, der Mann begeht Ehebruch, verletzt also eines der Zehn Gebote, so die Antwort. Und er begründet dies mit der von Gott gestifteten Gemeinschaft von Mann und Frau, die schon in den Schöpfungserzählungen im Buch Genesis bezeugt ist.
Jesus nimmt also Partei für die zurückgelassene Frau, die nicht der Hartherzigkeit der Männer überlassen werden soll. Später präzisiert er, dass er das vice versa analog versteht: Auch wenn eine Frau ihren Mann aus der Ehe entlässt (was in der Tora nicht vorgesehen ist), begeht sie Ehebruch.
Mich berühren hier das Eintreten Jesu für die von Machtausübung betroffene Person und der Hinweis darauf, dass Gott größer als menschliche Vorschriften ist. Dennoch bleibt diese Stelle ein Stachel im Fleisch: Was aber, wenn die hier ausgesprochene strikte Ablehnung der Ehescheidung mit der Lebenswirklichkeit von heute nicht in Einklang zu bringen ist?
Die katholische Kirche hat lange Zeit Evangelienstellen wie diese zur Grundlage rigoroser Ehemoral gemacht. Fürs rechte Augenmaß sollte man dafür aber das Evangelium als Ganzes in den Blick nehmen, das ja von der Größe und Barmherzigkeit Gottes Zeugnis gibt. Gott sei Dank orientiert sich die Kirche in den letzten Jahren immer mehr daran.
Otto Friedrich ist Religionsjournalist, er war bis April 2024 stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“.