Otto Friedrich ist Religionsjournalist, er war bis April 2024 stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“.
Dein Volk wird zu jener Zeit gerettet.
In jener Zeit tritt Michael auf, der große Fürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit.
Doch zu jener Zeit wird dein Volk gerettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist. Von denen, die im Land des Staubes schlafen, werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden glänzen wie der Glanz der Himmelsfeste und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, wie die Sterne für immer und ewig.
Durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt.
Jeder Priester des Ersten Bundes steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können.
Jesus Christus aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt; seitdem wartet er, bis seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden. Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt. Wo also die Sünden vergeben sind, da gibt es kein Opfer für die Sünden mehr.
Er wird die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: In jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, erkennt ihr, dass der Sommer nahe ist.
So erkennt auch ihr, wenn ihr das geschehen seht, dass er nahe vor der Tür ist. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Unmittelbar vor der Passionserzählung steht im Markusevangelium Jesu Rede von der Endzeit. Es handelt sich dabei um eine apokalyptische Vision, wie sie auch schon aus prophetischen Texten des Alten Testaments bekannt ist: Die Zeichen am Himmel, von denen Jesus spricht, finden sich auch bei Daniel, Haggai, Jesaja, Joël oder Sacharja.
Die große Zahl an Propheten, die hier zitiert sind, verweist einmal mehr darauf, wie sehr Jesu Reden und Denken in der Tradition des Judentums verwurzelt ist und wie sehr er dies weiterdenkt.
Apokalypse ist eine Vision vom Kommen des Reiches Gottes, die mit gewaltigen, auch furchterregenden Bildern beschrieben wird. In der vorliegenden Markusstelle verbindet Jesus diese Bilder mit dem Auftrag zur Wachsamkeit: Alle sollten wissen, dass das Ende kommt; aber niemand weiß, wann.
Apokalypse kann aber auch ein Bild dafür sein, sich im Lichte Jesu mit der aktuellen Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Ökologische Katastrophen rund um den Klimawandel, die sozialen Verwerfungen weltweit und nah, Krieg ist nicht verschwunden, sondern ungeahnt neu zum Mittel der Politik geworden ...: Vieles in der Welt nimmt Formen apokalyptischer Bedrohung an.
Es gibt aber Stimmen, die diese Bedrohungen verniedlichen oder gar leugnen.
Jesus ruft im Evangelium demgegenüber zu Aufmerksamkeit für die Welt auf – in der Perspektive eines (möglichen) Endes. Das Bild der Apokalypse vor Augen meint dann, im Mitgefühl für die Schöpfung und die Welt zu leben und zu handeln. Oder – mit einem vom Theologen und Philosophen Jürgen Manemann wieder aufgebrachten Begriff: Menschen dürfen nicht mit Apokalypse-Blindheit geschlagen sein.
Otto Friedrich ist Religionsjournalist, er war bis April 2024 stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Furche“.