Wort zum Sonntag
Freude ohne göttliches Zutun (die Schadenfreude ausgenommen) gibt es im Psalter nicht. Freude ist kein spontanes Gefühl, sondern eine Grundhaltung und Grundstimmung Jhwh, dem HERRN, gegenüber. Sie wird von ihm gestiftet. Im Lobpreis kann sich diese Emotion lautstark in Jubel, Jauchzen und Schreien äußern. Dabei kann Freude sowohl die persönliche Emotion eines einzelnen Betenden sein als auch kollektive Emotion einer Gemeinschaft. Beide Formen der Freude drücken sich auf ähnliche Art und Weise aus. Die Freude spiegelt dabei auch die Gottesbeziehung wider und bringt Dankbarkeit, das Bewusstsein für das göttliche Mitwirken im Leben, zum Ausdruck.
Das Bild der Freude, das in den Psalmen wiedergegeben wird, ist unterschiedlich. Kaum andere biblische Texte greifen auf einen derart vielfältigen und facettenreichen Wortschatz zurück. Dabei knüpfen die Psalmen vor allem an das Bild der Freude aus den prophetischen Büchern an. Freude wird zur Sprache gebracht und offenbart einen Blick in die Gefühlswelt der Betenden. Diese Facette wird in prosaischen Bibeltexten kaum benannt. Das zeigt, dass es in poetischen Texten eher möglich ist, die eigenen Gefühle – positive wie negative – klar zu benennen.
Durch ihren liturgischen und theologischen Charakter unterscheidet sich die Freude in den Psalmen klar von den restlichen biblischen Büchern. Nahezu jeder Grund zur Freude steht in Bezug zu Gott. Dabei ist entscheidend, dass sich diese Freude im (liturgischen) Fest ausdrückt, zum Fest führt bzw. im Fest entsteht. Mit Blick auf das moderne Verständnis von Liturgie bedeutet das, dass Freude Grund für die Liturgie sein sollte, Liturgie Freude zum Ausdruck bringt und gleichzeitig aber auch Freude stiften soll. Diese Aspekte der Freude und ihre Verbindungen zum Gottesdienst bekommen allerdings häufig nur eine Nebenrolle zugesprochen. Dabei drückt sich besonders in der Freude das Gotteslob aus, wie die Psalmen aufzeigen.
Drei grundlegende Bemerkungen lassen sich über die Kontexte der Freude in den Psalmen treffen:
1. Menschliche Freude begegnet meist in sakralem oder liturgischem Kontext. Im Psalm realisiert sich aber auch die emotionale Grundhaltung des Betenden: Hoffnungen, Ängste, Freude oder Wut des Einzelnen oder der Gemeinschaft werden literarisch vermittelt sowie zur real erfahrenen Emotion. Mit Ausnahme der Schadenfreude wird menschliche Freude grundsätzlich positiv bewertet.
2. Göttliche Freude unterstreicht die emotionale Seite der Gottheit, sie verdeutlicht auch die wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Gott. Das verdeutlicht, dass Jhwh, der HERR, sich an der Schöpfung, am Leben um seiner selbst willen freuen kann. Ist im Deuteronomium klar, dass der Mensch sich an den Bundesschluss halten muss, damit Jhwh ihm mit Freude Gutes tut (Deuteronomium 30,9), so wird diese Freude in den Psalmen selbstverständlicher wahrgenommen. Somit verändern sich der Charakter und die Wahrnehmung der göttlichen Freude – ein Phänomen, das sich in der Weisheitsliteratur allgemein beobachten lässt.
3. Als Bild für die allumfassende Dimension der Freude können auch Objekte wie Himmel, Wasser, Luft oder Bäume dienen, oder abstrakte Begriffe wie ‚Völker‘ oder ‚Völkerschaften‘. Diese Freude umfasst den ganzen Kosmos! Insbesondere in Jesaja wird diese Freude zum Sinnbild für das heilvolle Wirken Jhwhs, des HERRN. Diese neue Form der kollektiven Freude, die nicht mehr nur die Gesellschaft mit einbezieht, verdeutlicht die emotionale Bedeutung des Geschehenen für das gesamte Universum.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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