Wort zum Sonntag
Sonntagmorgen. Der Tag startet mit dem gemeinsamen Morgengebet, der sogenannten Laudes. Wir, das sind fünf Schwestern und ich, die gemeinsam in einem Konvent für jüngere und berufstätige Schwestern im Mutterhaus in Vöcklabruck leben, sitzen still in unserer kleinen Kapelle. Draußen scheint die Sonne, und Vogelgezwitscher dringt durch das geöffnete Fenster herein. Wir stehen auf, das Gebet beginnt. „Herr, öffne meine Lippen!“, sind unsere ersten Worte.
Der Tag startet mit dem Lob Gottes. Nicht das Gebet um Hilfe, nicht unsere Sorgen, nicht das, was uns belastet, steht im Mittelpunkt, sondern das Lob Gottes. Und mit diesem Lob steigen wir in eine große Gemeinschaft ein. Wenn wir den Psalm 148 beten, fällt mir das immer besonders auf. Wir loben Gott gemeinsam mit den Engeln, mit Sonne und Mond, mit den Sternen, mit den Himmeln und den Menschen aller Generationen. Wir loben Gott gemeinsam mit der ganzen Schöpfung.
Das ist uns in der franziskanischen Spiritualität ein vertrautes Bild. Franz von Assisi hat in seinem bekanntesten Gebet, dem Sonnengesang, eine Hymne auf die von Gott ins Leben gerufene Schöpfung geschrieben. Zugleich fordert Franziskus die Schöpfung auf, den Schöpfer selbst zu loben. Aber nicht nur das, er fühlt sich in die Natur eingebunden und pflegt einen geschwisterlichen Umgang mit ihr. Die Schöpfung als Bruder und Schwester zu sehen, die Natur zu lieben, ihr Respekt zu zollen und sich für sie einzusetzen ist quasi eine Konsequenz aus diesem Lob Gottes.
Die Schöpfung als Bruder und Schwester – hat diese Haltung auch heute, Jahrhunderte später, noch Relevanz? Als Franziskanerin kann ich diese Frage für mich selbst von ganzem Herzen mit Ja beantworten. Und ich würde mir wünschen, dieser Haltung im Alltag öfter zu begegnen. Eine Hilfe, um diese Haltung immer wieder neu einzuüben, sind für mich die Psalmen und das Stundengebet. Gerade der Psalm 148 nimmt mich hinein in den Lobpreis und hilft mir, einzutauchen in diese Gemeinschaft des Lobpreises – und damit nicht meine Sorgen und Probleme in den Mittelpunkt zu stellen, sondern Gott.
Lobt ihn, Sonne und Mond,
lobt ihn, all ihr leuchtenden Sterne;
lobt ihn, alle Himmel
und ihr Wasser über dem Himmel!
Loben sollen sie den Namen des HERRN;
denn er gebot, und sie waren erschaffen.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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