Wort zum Sonntag
Die Sorge ist begründet, dass durch die Möglichkeit des assistierten Suizids nun alte und pflegebedürftige Menschen unter Druck geraten. Sie sind von anderen abhängig, verzweifeln leicht an den noch verbliebenen Lebensmöglichkeiten und wollen, so belegen mehrere Studien, niemandem zur Last fallen.
Man darf jedoch eine andere Herausforderung nicht übersehen. Wie gehen wir mit Menschen um, die uns persönlich nahestehen oder für die wir Verantwortung tragen und die einen Sterbewunsch haben? Hier kann es um Familienmitglieder gehen, um Freunde oder um Menschen, die man als Ärztin, als Pflegende oder als Seelsorgerin im Krankenhaus oder im Hospiz begleitet. Wie sich verhalten, wenn diese Menschen das Gespräch suchen, um Informationen und unser Urteil bitten, um menschliche Begleitung? Die Frage beschäftigt derzeit die Träger kirchlicher Alten- und Pflegeheime, sie taucht aber auch in der pfarrlichen Sorge um Alte und Kranke auf.
Man wird zunächst alles tun, um Menschen zu helfen, dass sie falsche Ängste und trügerische Beweggründe durchschauen und so einen verloren gegangenen Lebenswillen wiederentdecken. Man wird aber auch selbst grundsätzlich Position beziehen müssen, und hier braucht es den Mut, anderen das eigene Urteil zuzumuten. Darüber hinaus braucht es aber auch den unbedingten Respekt vor dem anderen, vor seinem oder ihrem Gewissen, vor der Lebenseinstellung, und die Achtung davor, was für ihn oder sie möglich ist oder nicht. Unheilbare Krankheit, schwindende Lebenskräfte und das Wissen um den ohnehin nahen Tod bringen Menschen in Grenzsituationen, die von außen nicht einfach zu beurteilen sind. Man kann davon ausgehen, dass niemand leichtfertig einen Sterbewunsch entwickelt, gerade weil der Glaube an das Leben, der Kampf um das Überleben und das Verantwortungsgefühl für andere tief im Menschen verankert sind.
Nicht religiöse Menschen werden sich fragen, wie sie eine solche Entscheidung in ihrem Gewissen, also angesichts ihrer persönlichen Werte und Weltanschauung verantworten können. Für religiöse Menschen stellt sich gleichzeitig die Frage nach der Sünde. Wie weit sündigt jemand, der sich für assistierten Suizid entscheidet? „Sünde“ hat in der moraltheologischen Tradition allerdings schon immer eine objektive und eine subjektive Seite. Letztentscheidend für die Situation eines Menschen vor Gott ist dabei die innere, subjektive Situation. Sie ist eine Frage des Gewissens, das heißt, wie weit sich jemand aufrichtig bemüht, das Richtige zu tun, in den Freiheitsräumen, die noch verblieben sind.
Papst Franziskus betont die Notwendigkeit, Menschen in allen Lebenslagen, Ausweglosigkeiten und Krisen das Zeugnis eines Gottes zu vermitteln, der größer ist und der den Menschen immer bejaht, begleitet und trägt.
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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