Wort zum Sonntag
Ich erinnere mich an meine Zeit in der Studentenvertretung. In unseren kirchenpolitischen Diskussionen waren wir uns weitgehend einig – bis auf einen Kollegen, der eine ganz andere Meinung vertrat als die Mehrheit unserer Gruppe. Schon damals war ich ihm dankbar, dass er auch diese andere Sicht der Dinge einbrachte, obwohl sie so ganz von der meinen abwich. Dank ihm wurde mir bewusst, dass man die Welt von ganz unterschiedlichen Seiten nicht nur betrachten, sondern auch erleben kann. Häufig lachten wir über unsere Verschiedenheit, wir arbeiteten konstruktiv zusammen, und bis heute freue ich mich, wenn ich ihn treffe.
Freilich, Verschiedenheit macht es nicht leichter, zu gemeinsamen Entscheidungen zu finden. Aber das Zusammenlegen aller Sichtweisen und Einsichten und das gemeinsame Bemühen, daraus den bestmöglichen Entschluss zu treffen, in dem die Erkenntnisse aller berücksichtigt werden, ermöglicht es, dass eine Gruppe nicht in Gewinner und Verlierer auseinanderfällt.
In vielen Situationen stehen aber richtig und falsch gar nicht zur Debatte. Denken Sie an die Hochwasserkatastrophe vor einigen Wochen. Da war vor allem ein tatkräftiges Miteinander gefragt. Ohne die vielen helfenden Hände hätten die Betroffenen dieses Unglück niemals überstehen können. Die Erfahrung des Zusammenhalts in Krisensituationen hat einen Wert, der sich nicht beziffern lässt. „Dass auf einmal alle zusammengeholfen haben, die Nachbarn, die Feuerwehr, Wildfremde von irgendwo, das hat mich überleben lassen, auch innerlich“, schildert eine Bäuerin, deren Hof komplett unter Wasser stand.
Gott sei Dank gibt es auch genügend erfreuliche Anlässe, in denen wir wahrnehmen können, dass das gemeinsame Tun etwas ermöglicht, das alleine nicht möglich wäre. Denken Sie an so simple Dinge wie ein Spiel oder gemeinsamen Gesang. Alleine „Uno“ zu spielen würde nicht nur keinen Sinn, sondern vor allem keinen Spaß machen. Und die Resonanzen, die aus dem Zusammenklang der verschiedenen Stimmen resultieren, lassen erst jene Musik entstehen, die Sängerinnen wir Zuhörer gleichermaßen begeistern. Für uns Christ:innen ist die höchste Form der Gemeinschaft jene, in der nicht nur Menschen, sondern auch Gott eine entscheidende Rolle spielt. Im gemeinsamen Gebet und im gemeinsamen Feiern dürfen wir schon etwas von jener himmlischen Herrlichkeit erfahren, zu der Gott uns berufen hat (1. Petrusbrief 5,10).
Sr. Teresa Hieslmayr ist Autorin des Buches „Wege zum Miteinander“, das neu bei Tyrolia erschienen ist. Sie wirkt als Psychotherapeutin und spirituelle Begleiterin für Einzelne und Gruppen.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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