Wort zum Sonntag
Wenn ich eine Zeitung aufschlage oder Nachrichten höre, stoße ich oft auf Berichte darüber, was Menschen falsch gemacht haben – sei es in der Kirche, in der Politik oder in der Wirtschaft. Verantwortliche werden an den Pranger gestellt, und es wird analysiert, wo sie ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind. Das zeigt, wie sich das Verständnis von Versagen und Verantwortung verändert hat. Die Begriffe Schuld und Sünde wurden früher stärker auf Einzeltaten bezogen, heute stehen mehr die gemeinschaftlichen und sozialen Aspekte des Handelns im Mittelpunkt. Man achtet mehr auf Grundhaltungen und Charaktereigenschaften, von denen die einzelnen Handlungen wie ein verlängerter Arm ausgehen.
Mein Eindruck ist, dass wir als Kirche zu oft in einem verurteilenden Ton über Sünde gesprochen und Menschen ein schlechtes Gewissen eingeredet haben. Schuldgefühle haben emotionalen Druck ausgelöst. Das lässt sich heute zu Recht niemand mehr bieten. Das bedeutet aber nicht, dass Menschen heute kein Gespür für ihre Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt hätten.
In den Evangelien lesen wir immer wieder, dass Jesus zu Menschen sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben“, auch zu solchen, die gar nicht darum gebeten hatten. War er etwa sündenfixiert? Ich glaube nicht. Er hat vielmehr das Leid von Menschen gesehen, die in schuldbelasteten Beziehungen und Gemeinschaften lebten. Darauf reagiert er, indem er diesen Menschen neue Lebensmöglichkeiten aufzeigt, zu ihnen eine Beziehung aufbaut und sie wieder in die Gemeinschaft holt. Er zeigt, dass Sünde Beziehungen stört – Vergebung hingegen den Weg zu einem neuen Anfang öffnet.
Die Haltung Jesu kann auch uns als Kirche leiten. Es geht nicht darum, Sünde zu verharmlosen, sondern darum, Menschen in ihrem Leid ernst zu nehmen und ihnen Wege zu einem neuen Leben aufzuzeigen. Vergebung steht am Beginn einer neuen Beziehung – zu Gott und zu den Mitmenschen.
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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