Wort zum Sonntag
Es gibt dieses Kinderlied, das ich aus meiner eigenen Kindheit kenne. Es klingt immer noch in mir nach, und ich denke, viele von Ihnen kennen es – ich bin mir nämlich sicher, dass es noch fleißig gesungen wird. „Wir feiern heut’ ein Fest und kommen hier zusammen. / Wir feiern heut’ ein Fest und laden alle ein. / Herein, herein, wir laden alle ein …“ Dieses Lied trifft den Grundgedanken des alttestamentlichen Buches Deuteronomium, das auch 5. Buch Mose genannt wird.
Im Buch Deuteronomium gibt es eine ganze Reihe von Festen, die beschrieben und eingeführt werden. Feste sind in der Bibel zentrale Elemente des Glaubens und Ausdruck von Freude. Sie haben meist einen Rahmen und gehen mit einem gemeinsamen Essen und Trinken einher. Neunmal fordert das Buch Deuteronomium im Zusammenhang mit Festen die Menschen zur Freude auf (siehe Deuteronomium 12,7.12.18; 14,26; 16,11.14–15; 26,11; 27,7). Spannend wird es, wenn wir uns anschauen, wer in diese Feste mit eingeschlossen ist – wer mitfeiert, beziehungsweise wer mitfeiern darf und soll. In Deuteronomium 12,7 wird die Familie angesprochen. Wörtlich steht hier im Hebräischen das „Haus“, das die Familie, die Sippe, die verwandte Gemeinschaft meint; jene Leute also, die innerhalb der größeren Gemeinschaft der Hebräer:innen zusammengehören. Es handelt sich um eine Gruppe, die wir häufig antreffen, wenn wir Feste feiern. Weihnachten, Ostern, all diese Feste feiern wir oft mit unserer Familie – jenen Menschen, die uns nahe sind.
Dabei bleibt es aber nicht. Das Buch Deuteronomium weitet die Gruppe der Feiernden und sich Freuenden schnell aus. Bereits in Deuteronomium 12,18 sind Diener:innen und Levit:innen in diese Gemeinschaft mit eingeschlossen. Auch hier könnten wir noch meinen, dass das nichts Außergewöhnliches sei – zum Beispiel vor Weihnachten haben wir ja auch in unseren Arbeitsstätten gemeinsame Feiern. Deuteronomium 12,18 könnte in diese Richtung verstanden werden.
Ein Blick auf Deuteronomium 16 zeigt aber, dass der inklusive Gedanke viel radikaler gedacht wird. Drei Feste werden in Deuteronomium 16,1–15 genauer in den Blick genommen: das Pessah-Fest (v1–8), das Fest der Wochen (Schawuot, v9–12) und das Laubhüttenfest (Sukkot, v12–15).
Deuteronomium 16 fordert dazu auf, auch Waisen, Witwen und Fremde an den Festen teilhaben zu lassen. Diese drei Personengruppen stellen im antiken Orient jene Gruppen dar, die schutzlos am Rande der Gesellschaft sind. Sie stehen im Buch Deuteronomium für marginalisierte und vulnerable Gruppen, ein Symbol für Menschen, die in besonderer Weise Hilfe und Schutz benötigen. Genau diese Menschen sollen nun Teil der Festgemeinschaft sein. Für sie soll und muss ebenso Platz sein wie für die eigene Familie.
Beim Lesen dieser Texte stellt sich mir immer wieder eine Frage: Wer sind heute diese vulnerablen Personen? Wer braucht unseren Schutz besonders? Und: Wie gehen wir mit diesen Menschen um? Lassen wir sie in vollem Umfang an unseren Festen (und unserer ganzen Gemeinschaft) teilhaben?
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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