Wort zum Sonntag
Ich wuchs in einem katholischen Elternhaus in Oberösterreich auf. Eine Schwester meines Vaters war Borromäerin. Meine Schulzeit verbrachte ich in Ordensschulen. Mit 14 Jahren nahmen mich Schwestern mit nach Wien zu einer Ordensprofess, um mich auf den „Geschmack“ zu bringen. Ich kam nicht auf den Geschmack, nicht auf diesen. Das Ziel lag zu nahe. Zunächst einmal: Freiheit!
Ich wollte herausfinden, wie Leben geht, und entzog mich ein Stück weit dem Einfluss des Elternhauses, als ich nach der Lehrerausbildung den Dienst in einem kleinen Ort, weit genug von daheim, antrat. Ich reiste viel, arbeitete mich gut ein als Lehrerin und engagierte mich in verschiedenen Bereichen des Gemeindelebens. Ich hatte einen Freundeskreis, und es gab vieles, was mich interessierte und mir Freude machte.
Meinen Ort, „die Arche, von der aus alles andere möglich sein würde“, wie ich es in meinem Tagebuch festhielt, hatte ich mit Ende 20 noch nicht gefunden. Einmal im Supermarkt an der Fleischbank der plötzliche Gedanke: Eigentlich ist das, was du da tust, nur vorläufig …
Verliebt war ich oft, einmal sehr, aber es blieb dabei. Der „Richtige“ würde schon kommen. Er kam und war es nicht. Der Psychoanalytiker Bert Hellinger sagt: Die Mitte fühlt sich leicht an. Wenn das stimmte, war ich nicht dort. Nix mit Freiheit. Die Sehnsucht nach „dem Ganzen, nach dem, was hinter all dem Vordergründigen lag“, begann sich mit Vehemenz aus meinem tiefsten Inneren zu melden und ließ sich nicht abschütteln. Sie stürzte mich in eine existenzielle Krise und hatte das äußerst schmerzhafte Ende meiner Beziehung zur Folge, bedeutete aber noch lange keinen Klostereintritt.
Da war zwar dieser Bildungswerkvortrag des deutschen Theologen Gotthard Fuchs über die Mystiker, der mich gepackt hatte und lange nicht losließ – aber Teresa von Avila und Therese von Lisieux waren doch Karmelitinnen und, das wusste ich seit Kindheitstagen, die lebten weltfremd und eingesperrt in ihrem Kloster. Um Gottes Willen! Ja, ich hatte wieder begonnen, regelmäßig zu beten, besuchte Glaubensseminare, nahm an Exerzitien teil, engagierte mich gerne in der Pfarre, aber ich fand, das musste reichen. Natürlich reichte es nicht. Es ging ja ums Ganze, nicht ums Halbe. Es ging um meinen Gott und mich. Meine Seele wusste es. Ich träumte, dass es einen Ort gab, wo Er auf mich wartete. Aber wo?
Mein Sabbatjahr, in dem ich mich dieser Frage stellen wollte, begann ich mit Einzelexerzitien für Ordensfrauen (!) bei einem Priester aus der Ausbildungszeit, den ich ausfindig gemacht hatte, weil ich sicher war, dass er mir weiterhelfen konnte. Er erkannte die Lage und hatte die richtigen Worte für mich. Aus seinem Mund hörte sich ein Klostereintritt gar nicht so fürchterlich an. Als er eher nebenbei den Karmel von Maria Jeutendorf erwähnte, wurde ich hellhörig und recherchierte im Internet. Auf den Fotos wirkten die Ordensfrauen so überhaupt nicht weltfremd und eingesperrt. Ich fuhr hin. Und noch einmal. Und noch einmal.
Im Jänner 2016 fiel meine Entscheidung für den Eintritt in den Karmel Mater Dolorosa von Maria Jeutendorf. Die große Freude darüber kann ich schwer beschreiben. Trotzdem war der Einstieg hart. Es gibt nichts zu beschönigen. Aber hier ist mein Ort, und er wird es immer mehr. Die Reise dauerte lang, war aber unumgänglich. Mein Gott hat so lange hier auf mich gewartet. Dafür bin ich sehr dankbar.
Teil 1 von 3
Schwester Erika Maria Radner von der barmherzigen Liebe Gottes
Die gebürtige Oberösterreicherin Sr. Erika Maria Radner von der barmherzigen Liebe Gottes lebt im Karmel von Maria Jeutendorf in Niederösterreich.
jeutendorf.karmel.at
In Zusammenarbeit mit dem Berufungszentrum „Quo vadis?“ der Ordensgemeinschaften Österreich bringen wir Lebens- und Berufungsgeschichten von Ordensleuten.
quovadis.or.at
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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