Wort zum Sonntag
Mit seinem großen Loblied drückt Franziskus, der als Giovanni Battista Bernardone geboren wurde, seine Freundschaft mit den Tieren und der Umwelt aus. Für Franziskus (1181/82–1226) ist die „Umwelt“ eine „Mitwelt“. Schöpfung und mit ihr die Geschöpfe sind um ihrer selbst willen da, nicht als „Gebrauchswert“ für den Menschen. „Die Botschaft ist, dass wir Menschen nicht über den Dingen stehen sollen. Wir sind mit allen Geschöpfen in geschwisterlicher Liebe verbunden“, erklärt Franz Wenigwieser, Mitglied des Dritten Ordens der Franziskaner. Bereits in seiner Jugendzeit hat sich der Pfarrvikar von Katsdorf intensiv mit dem Sonnengesang beschäftigt. „Die Liebe zur Schöpfung, dass er radikal einfach gelebt hat und sich für die Armen eingesetzt hat, das hat mich an Franziskus am meisten begeistert und beeindruckt mich auch heute noch“, sagt Wenigwieser. Der Sonnengesang stehe für eine Religiosität und einen Glauben, die nicht abgehoben seien. „Ganz viele Leute sagen, sie erlebten Gott vor allem in der Natur und in der Schöpfung. Die Spiritualität des Sonnengesangs verbindet uns auch mit jenen, die mit Kirche nicht mehr viel anfangen können“, betont Wenigwieser.
Er versucht die Begeisterung für den Sonnengesang in der Seelsorge weiterzugeben. Das drückt sich in mehrfacher Weise aus: „Ich tanze den Sonnengesang immer wieder und biete regelmäßig Pilgerreisen zum Sonnengesangsweg in Südtirol an. Dort sind die einzelnen Strophen des Gebets kreativ und künstlerisch wunderschön dargestellt“, sagt Wenigwieser. Aus dem Sonnengesang leitet er zudem den konkreten Auftrag ab, sich für Klimaschutz und artgerechte Tierhaltung einzusetzen. Das prägt etwa die Arbeit mit Katsdorfs Partnerpfarre in Tansania, wo der Priester Motor für zahlreiche Projekte ist, darunter auch die Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe. „Wir schauen, dass bei jedem neu gebauten Schweinestall ein Freilauf dabei ist. Das ist etwas, das dort in der Region bisher nicht üblich war“, erzählt Wenigwieser. Zuhause im Mühlviertel hat er außerdem vor ein paar Jahren begonnen, eine Bio-Imkerei zu betreiben. „Der Einsatz von Chemie wird weitestgehend vermieden und es gibt natürlich nur Bio-Futter. Außerdem wird unser Honig sehr genau überprüft.“
Besonders bemerkenswert ist, dass Franziskus den Sonnengesang in einer Zeit verfasst hat, als er körperlich schon schwer gezeichnet war. Um sich in Ruhe erholen zu können, zog er sich nach San Damiano in eine kleine Hütte zurück. „In seinen letzten Lebensjahren konnte er selbst kaum noch gehen und war im Prinzip bettlägerig. Und er hat unter einer schlimmen Augenkrankheit gelitten, die möglicherweise durch Malaria verursacht wurde“, erzählt Wenigwieser. Franziskus’ Arzt sah nur einen Ausweg, um die Schmerzen dauerhaft zu lindern. Mit glühenden Eisen hat er die eitrigen Stellen im und rund um das Auge ausgebrannt. Jeder Sonnenstrahl dürfte aufgrund der Operation Schmerzen in den Augen verursacht haben, Franziskus war danach blind.
Verbitterung habe diese schwere Lebenslage nicht ausgelöst, sagt Wenigwieser. „Das liegt vor allem daran, wie Franziskus seit seiner Bekehrung in jungen Jahren gelebt hat.“ Dadurch kannte er die Schönheiten und die extreme Härte der Natur. „Er hat sich so auf seine schweren Zeiten vorbereitet. Der Sonnengesang ist auch ein Stück weit Ausdruck seiner Lebensweise insgesamt und weniger bloß ein Gefühlsausbruch der letzten Jahre vor Entstehung des Gebets“, erklärt Franz Wenigwieser.
Dabei spiegelt der Sonnengesang durchaus die damaligen Ereignisse wider. Denn Franziskus hat zuerst nur die ersten sieben Strophen gedichtet. Als aber in Assisi ein Streit zwischen dem Bischof und dem Bürgermeister ausbrach, hat er die achte Strophe (die Versöhnungsverse) verfasst und einige seiner Mitbrüder gebeten, sie den beiden vorzusingen. Damit soll der Konflikt beigelegt worden sein. Die neunte Strophe (Schwester Tod) hat Franziskus wahrscheinlich überhaupt erst verfasst, als er spürte, dass er bald sterben wird. Der hoffnungsvolle und positive Grundton des Sonnengesangs könne uns jedenfalls auch heute noch etwas sagen, findet Wenigwieser. „In Krisenzeiten oder auch jetzt, wo viele verunsichert sind oder Ängste haben, können wir versuchen, den Kopf nicht hängen zu lassen, sondern das Beste daraus zu machen. Gerade Franziskus ist es sicherlich psychisch nicht nur gut gegangen, und trotzdem hat er nicht vergessen, was er alles mit Gott schon gesehen hat, auch die vielen Schönheiten, die er in seinem Leben erfahren hat.“
Im Oktober organisiert Franz Wenigwieser eine Pilgerreise zum Sonnengesangsweg in Südtirol.
Infos und Kontakt per E-Mail:
franz.wenigwieser@dioezese-linz.at und www.dioezese-linz.at/katsdorf
Gelobt seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
besonders durch Schwester Sonne,
welche der Tag ist und
uns erhellt durch sich selbst.
Und schön ist sie und strahlend
mit großem Glanz: von dir,
Höchster, trägt sie das
Sinnbild.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch Bruder Mond und die Sterne,
am Himmel hast du sie gemacht:
klar und kostbar und schön.
Gelobt seist du, mein Herr,
für Bruder Feuer,
durch den du erleuchtest die Nacht,
und er ist schön und fröhlich
und kraftvoll und stark.
Gelobt seist du, mein Herr,
für unsere Schwester, die Mutter Erde,
die uns ernährt und versorgt und
vielfältige Früchte hervorbringt,
mit bunten Blumen und Kräutern.
Gelobt seist du, mein Herr,
durch jene, die verzeihen durch
deine Liebe und ertragen
Krankheit und Trübsal.
Selig jene, die solches ertragen in Frieden,
denn von dir, Höchster,
werden sie gekrönt.
Lobet und preiset meinen Herrn,
und danket und dienet
ihm mit großer Demut.
Auszug aus dem Sonnengesang
Wort zum Sonntag
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