Wort zum Sonntag
Im Bibelwerk Linz gab es in den vergangenen Monaten eine Reihe von Veränderungen. Sie sind seit Anfang März die Leiterin. Konnten Sie sich gut einleben?
Karin Hintersteiner: Die ersten Monate sind aus meiner Sicht gut gelaufen. Es hat mir sicher sehr geholfen, dass ich das Bibelwerk Linz aus der Zusammenarbeit schon lange kenne.
Zur DNA des Bibelwerks Linz gehört die Praxisnähe. Daran wird sich wohl nichts ändern, oder?
Hintersteiner: Stimmt. Um ein Beispiel zu nennen: Wir bieten montags eine Online-Predigtvorbereitung für die Engagierten in den Pfarren an, die Wort-Gottes-Feiern leiten und sich für den nächsten Sonntag vorbereiten. Zu unserer Aufgabe gehört stets die Übersetzungsleistung von der Bibelwissenschaft in die Praxis. Nicht immer ist die Bibel einfach zu lesen. Daher wählen wir Anknüpfungspunkte, um die Bibel für die Menschen in ihrem jeweiligen Leben „bewohnbar“ zu machen.
Die Bibeltexte stehen im Medium des Buches, sind aber auch als Online-Angebot vorhanden. Ist das auch das zukünftige Medium der Bibelarbeit?
Hintersteiner: Die Online-Angebote braucht es – auch weil die Bibelarbeit insgesamt sehr personalintensiv ist. Für die Wissensvermittlung sind die neuen Medien gut geeignet. Aber das Arbeiten mit der Bibel ist deutlich mehr als Wissensvermittlung. Es braucht auch das Hineinholen der Bibel in das eigene Leben. Das hat viel mit persönlicher Auseinandersetzung zu tun. Daher können wir auf Präsenzveranstaltungen nicht verzichten. Das können klassische Kurse sein, aber auch kreative Zugänge über Literatur oder Musik. Die Bibel ist ein Lebensbuch und sie lebt auch dadurch, dass Menschen über sie sprechen.
Wie ist Ihnen persönlich das „Lebensbuch Bibel“ begegnet?
Hintersteiner: Das war schon vor meinem Theologiestudium als Jugendliche. Ich bin in Amstetten aufgewachsen, da gab es die Salesianer Don Boscos. Wenn bei ihnen Missionare und Missionarinnen über ihre Arbeit berichtet haben, dann hatte das sehr viel mit der Bibel zu tun. Ich habe früh die Befreiungstheologie für mich entdeckt, die ohne eine starke Betonung der Bibel nicht denkbar ist. Die Bibel ist die Basis des Glaubens. Es gibt praktisch kein menschliches Thema, das nicht in der Bibel seinen Platz hat. Daher ist sie eine Begleitung durchs Leben.
Es heißt, das Heilige Land sei das „Fünfte Evangelium“, man könne die Bibel besser verstehen, wenn man ihre Herkunftsregion kenne. Stimmen Sie dem zu?
Hintersteiner: Die Kenntnis des Heiligen Landes ist sehr hilfreich. Wenn man die Möglichkeit einer Reise dorthin hat – derzeit ist das nicht möglich –, ist das empfehlenswert. Unbedingt notwendig für das Bibelverständnis ist das aber nicht.
Im Spätsommer stehen das 60-Jahr-Jubiläum und die Bibelpastorale Studientagung zu den Korintherbriefen des Apostels Paulus auf dem Programm. In den Korintherbriefen wird der Satz, dass die Frau in der Versammlung zu schweigen habe (1 Kor 14,34), als Stolperstein erlebt. Zurecht?
Hintersteiner: Man muss den „ganzen Paulus“ sehen, nicht nur diese Stelle: Es war für ihn normal, dass Frauen die Gemeinde leiten; er hat Frauen als Apostelin bezeichnet und mit ihnen zusammengearbeitet. Was die von Ihnen angesprochene Textstelle betrifft: Die Wissenschaft geht davon aus, dass das ein späterer Einschub ist, der nicht von Paulus stammt. Übrigens: Der Grund, warum wir uns auf Österreich-Ebene heuer mit den Korintherbriefen beschäftigen, ist, dass Paulus dort sehr viel über das Thema „Gemeinde“ schreibt – vom Aufbau und auch über Konfliktlösungen. In Rom tagt die Synode, in Österreich werden Pfarrstrukturen verändert: Da ist es naheliegend, nachzulesen, wie Paulus mit solchen Themen umgeht.
Wird es künftig angesichts einer steigenden Zahl kirchenferner Menschen immer wichtiger werden, die Sprache der Bibel verständlicher zu machen?
Hintersteiner: Ich denke, dass es weniger um die Sprache als um die Inhalte gehen wird. Die Bibel zeigt uns einen parteiischen Gott, der an der Seite der Armen, der Entrechteten steht. Wir müssen zusehen, wie wir das mit unserer Gesellschaft zusammenbringen – auch in der Kirche, in welcher der gesellschaftliche Mittelstand stark vertreten ist, nicht unbedingt die Armen. Gerade mit Blick auf Zukunftsfragen ist die Auseinandersetzung mit der Bibel sehr spannend.
Jetzt kommt die vermutlich nicht ganz einfach zu beantwortende Frage, welche Bibelstelle Ihnen besonders wichtig ist.
Hintersteiner: Auf eine Stelle kann ich mich nicht beschränken, ich muss Ihnen zwei nennen: Die erste ist die Antrittsrede Jesu in der Synagoge in Nazaret (Lk 4,16–27), wo er ganz klar sagt, wozu er gekommen ist: den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Das ist für mich der rote Faden für die ganze Bibel. Für mein persönliches Leben sehr wichtig ist Psalm 18,20: „Er [der HERR, Anm.] führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen.“
Ich erlebe, dass Menschen immer wieder überrascht sind, dass im Buch Ijob Gott mit sich streiten lässt. Sehen Sie das auch?
Hintersteiner: Die Bibel vermag viele Menschen zu überraschen. Beim Buch Ijob liegt es vermutlich daran, dass es nicht unserem gewohnten Gottesbild entspricht, mit ihm auch streiten zu können und ihn sehr direkt mit der Frage nach dem Leid zu konfrontieren. Ich möchte dem Ijob aber gerne das Buch Rut zur Seite stellen: Da sehen wir eine Frau, die alles verliert, aber gerade von dort aus ihr Leben positiv in Angriff nimmt. Die Bibel kennt nicht nur einen Lösungsansatz.
Die Fragen stellte Heinz Niederleitner
Die Theologin Karin Hintersteiner leitet seit März 2024 das Bibelwerk Linz. Zuvor war sie Referentin für Bibel und Liturgie in der Diözese St. Pölten und mehrere Jahre im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig.
Unter dem Motto „Gott aber ließ wachsen ...“ (1 Kor 3,6)feiert das Bibelwerk Linz am 6. September ab 14 Uhr im Bildungshaus Schloss Puchberg das 60-Jahr-Jubiläum. Vom 22. bis 24. August beschäftigt sich die Bibelpastorale Studientagung auch in Puchberg mit dem
1. Korintherbrief (Anmeldung erforderlich).
Infos: www.bibelwerklinz.at
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