Wort zum Sonntag
Unter dem Motto „Ja sagen zum Leben“ wäre der Pilgertag gestanden, den Franz Muhr in der Karwoche in Obernberg am Inn begleiten wollte. Das zehnte Mal hätte heuer die gemeinsme österreichweite Eröffnung der Pilgersaison stattgefunden – ein Highlight, auf das sich der Altbauer Muhr gründlich vorbereitet und gefreut hat. Es kam anders. Mehr als eine Woche dauerte es, bis er die Enttäuschung überwunden hatte, erzählt er. Dann spürte er aber, dass die Auseinandersetzung mit der Corona-Krise zu einem Pilgerweg im Geiste werden kann: „Wenn man die Lage annimmt und die Einschränkungen nicht nur negativ sieht, sondern als Chance zu lernen, dann wandelt sie sich.“
Eine wesentliche Erfahrung, die Menschen beim Pilgern geschenkt wird, ist die Dankbarkeit, weiß Muhr. Der pensionierte Landwirt weist auf die vielen Gründe hin, die ihn auch jetzt dankbar werden lassen: Er darf für seine Gesundheit dankbar sein, für das Geborgensein in einer wunderbaren Familie und Nachbarschaft und für jede gute, ermutigende Nachricht. Er spürt Dankbarkeit, weil er er lernen darf, wie er auf eine andere, eine neue Art mit den Menschen in Verbindung bleiben und dass er sich auf vielfältige Weise nützlich machen kann. Das sind Erfahrungen, die ihm in den vergangen Wochen ganz neu bewusst wurden. Damit man dafür offen wird, hilft es, im Haus oder im Garten auf einen Wohlfühlplatz zu gehen und den Fernsehapparat bewusst einmal nicht einzuschalten, rät Muhr: „In diesen Phasen der Stille kann die Dankbarkeit wachsen.“ Das ist beim Pilgern genauso: Das Gehen schafft – so ist seine Erfahrung – einen Raum im eigenen Innern, in dem Dankbarkeit entsteht.
Aber schließlich führt jeder Pilgerweg wieder vor die eigene Haustür. Muhr unterstreicht, was er vor Jahren bei der Ausbildung zum Pilgerbegleiter gelernt hat: „Jeder spirituelle Weg muss wieder in den Alltag zurückführen.“ Pilgern darf schon verändern, manchmal stellt es sogar das Leben auf den Kopf. Er hat das an Pilger/innen miterlebt. Aber es geht trotz allem um die Gestaltung des Alltags. „Das hat für mich mit Ostern und der Auferstehung zu tun.“ Er verweist auf die Emmausjünger: Noch in der Nacht standen sie auf und gingen nicht in eine Sonderwelt, sondern zu den Aposteln.
Weil er als Altbauer natürlich der Landwirtschaft verbunden ist, hofft Muhr, dass die Corona -Krise zum vertieften Nachdenken über die Natur anregt. Diese Themen haben auch bei seinen Pilgerwanderungen ihren Platz. Je mehr er über die vergangenen Wochen nachdenkt, desto mehr entdeckt er, dass sie in manchem Pilgererfahrungen ähnlich sind. Dennoch freut sich der 68-jährige Muhr, wenn er sich wieder in Gemeinschaft auf eine Pilgerwanderung begeben kann.
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