Wort zum Sonntag
Die Basis für die Beziehung von Österreich in die Stadt Fujin im abgelegenen Nordosten von China haben österreichische Kapuziner gelegt. Kapuziner-Patres gründeten Anfang der 1930er-Jahre im Rahmen eines groß angelegten Missionsprogramms in der ehemaligen Mandschurei die Pfarre Fujin. Innerhalb von drei Jahrzehnten entstanden eine lebendige Gemeinde und eine riesige Backsteinkirche. Bürgerkriegsähnliche Zustände setzten 1946 der blühenden Pfarre ein jähes und gewaltsames Ende. Zwei ihrer Seelsorger, P. Antonin Schröcksnadel und P. Theophil Ruderstaller aus Ostermiething, verloren dabei ihr Leben. Durch Zufall kamen mit den Wahl-Oberösterreichern Gisela und Gunther Gensch 2007 – also einundvierzig Jahre später – erstmals wieder europäische Christen nach Fujin. Das Ehepaar fuhr dann bis 2018 regelmäßig hin und hat das Wachstum der katholischen Gemeinde mit Staunen und mit finanzieller Unterstützung begleitet.
Die Gemeinde konnte sich Dank der Hilfe von Gisela Gensch, die in den vergangenen Jahren insgesamt 64.000 Euro gesammelt hat, ein Einfamilienhaus kaufen. Die chinesischen Christ/innen haben aus wirtschaftlichen Gründen, aber vermutlich noch mehr aufgrund ihrer Erfahrung mit der Politik des Landes, auf einen traditionellen Kirchenbau mit Turm, Rundbogenfenstern und vielem mehr verzichtet. Wie die Katholik/innen von Fujin ihren Glauben leben wollen, geht in einem Wohnhaus besser als in einem Sakralbau.
Die Raumeinteilung ihres Bungalows zeigt, was das Geheimnis ihrer kleinen Pfarre ist. Das Wohnzimmer ist der Kirchenraum, in dem ein überdimensionierter Altartisch steht. Es ist dies der Altar aus der ehemaligen Kapuzinerkirche der Stadt, die zum Parteilokal, zum Lager für Kunstdünger und nun zum Stadtmuseum wurde. Durch all die Jahrzehnte der staatlichen Verfolgung und Bedrägnis diente dieser Altar als Wohnzimmertisch, um den sich die Christen auch zum Gebet versammelt haben. Die Gläubigen haben nie aufgehört, sich im Geheimen zu treffen. Sie haben miteinander und allein viel gebetet, vor allem den Rosenkranz, der ein Erkennungszeichen der Katholiken ist, erzählte Gisela Gensch in einem Interview mit der KirchenZeitung: „Die Katholiken dort haben eine ansteckende Frömmigkeit. Man spürt bei ihnen: Gott ist nah.“ Treffender kann man nicht beschreiben, was eine lebendige Pfarre ausmacht. Wie regelmäßig der Wohnzimmer-Altar als Messtisch dienen konnte, ist nicht überliefert. Die Gläubigen von Fujin haben aber die Eucharistie nie aus den Augen verloren. Diese blieb symbolisiert durch den Altar die Mitte ihrer Gemeinde. Wie einen Schatz haben sie ihren Altar aus der alten Kirche gehütet.
Ein kleines Kammerl neben dem „Wohnzimmer“ dient als Sakristei. Darin findet sich auch ein Bett für den Priester, der zu den Eucharistiefeiern kommt. Aufgrund der großen Entfernungen braucht er eine Übernachtungsmöglichkeit. Geleitet wird die Gemeinde nicht von ihm, sondern von einer Frau und einem Mann vor Ort. Sie sind für die Organisation und die einzelnen Aktivitäten verantwortlich.
Ein wichtiger Raum im Kirchen-Wohnhaus ist die Küche. Sie dient der Gemeinschaft, aber vor allem wird sie als Suppenküche für die Armen der Stadt verwendet. „Menschen auf Krücken, alte Leute ohne Zähne, in völlig verschmutzter Kleidung – unglaublich, wie viel Armut man sieht“, erzählt Gisela Gensch, die einmal gerade vor Ort war, als die Armen versorgt wurden.
Ein weiterer Raum beherbergt eine Musikschule. Das ist die offizielle Widmung des Gebäudes. Eine Reihe von Keyboards zeugt davon, dass man dort wirklich ein Instrument lernen kann. Die Musikschule ist eine mehr schlechte als rechte Tarnung, weil der Staat ohnedies um die zusätzliche Bestimmung des Hauses weiß. Die Institution „Musikschule“ bildet aber ein Scharnier zum Alltag der Menschen. Die katholische Gemeinde bietet mit dem Musikunterricht der Gesellschaft ihren Dienst an: In der Kirche kann man etwas lernen, das die persönliche Entwicklung von Menschen fördert und einen Beitrag für die Gemeinschaft in der Stadt darstellt. Die Keyboards sind natürlich bei den Gottesdiensten im Einsatz, die das Ehepaar Gensch als sehr ansprechend erlebt: „Eine Messe dauert eineinhalb Stunden, alles ist sehr feierlich.“ Ein großer Kinderchor trägt ebenfalls zur Lebendigkeit der Liturgie bei. Rund 1000 Menschen – nicht alle sind getauft – gehören der Gemeinde von Fujin an. Gisela Gensch ist überzeugt, dass die Musikschule sehr zum Wachstum der Gemeinde beiträgt. In einem kleinen Zimmer des Hauses lebt ein älterer Mann. Er wird „Gärtner“ genannt und ist der Hausmeister.
Dass ihre Pfarre sich so gut entwickelt, schreiben die Christinnen und Christen von Fujin den Kapuzinerbrüdern Antonin und Theophil zu. Von ihrem Martyrium kommt Segen über die Gemeinde, sind sie überzeugt. Darum haben sie ihnen auch ihre Kirche und ihr Zentrum geweiht. «
Bild 1 und 2: Das ebenerdige Haus (2. Foto) ist Kirchenraum und Gemeindezentrum. Die Freude ist groß, wenn das Ehepaar Gensch nach Fujin kommt (1. Foto). Die Gemeinschaft wird in der katholische Gemeinde groß geschrieben. Das Paar hat rund zehnmal die Reise nach Fujin auf sich genommen, um die Christen vor Ort zu unterstützen. Die Entfernung zwischen Österreich und Fujin beträgt 10.000 Kilometer, die Stadt zählt 450.000 Einwohner.
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