„Mit rechtsextremem Gedankengut haben christliche und konservative Positionen nichts zu tun“, sagt die Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler. Hintergrund dafür ist, dass ihr Vorzugsstimmen-Wahlkampf im Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW) erwähnt wird. Dieser Wahlkampf sei maßgeblich vom rechtskatholischen Milieu getragen worden, heißt es da.
Auf „unerträgliche Art und Weise“ würden „Begriffe wie ‚rechtsextrem‘ und ‚rechtskatholisch‘ miteinander vermengt“, sagt Jan Ledóchowski. Er ist Präsident einer „Plattform Christdemokratie“, die sich als überparteilich darstellt. Auch er wird im Wahlkampf-Kontext im Bericht erwähnt.
Aber was heißt das? Werden alle, die im Rechtsextremismusbericht erwähnt werden, als rechtsextrem eingestuft? „Nein, das werden sie nicht und das erschließt sich auch jedem, der den Bericht liest“, sagt Bernhard Weidinger vom DÖW, Projektleiter des Rechtsextremismusberichts. „Eine bloße Nennung bedeutet keine Einstufung als rechtsextrem. Der ‚Rechtskatholizismus‘ wird im Kapitel ‚Rechtstendenziöse Subkulturen‘ behandelt. Schon der Einleitungssatz dieses Kapitels sagt, dass es hier um Phänomene geht, die nicht per se als rechtsextrem einzuordnen sind.“ Vielmehr gehe es in diesem Abschnitt um Berührungspunkte des Rechtskatholizismus mit Rechtsextremen und um Randbereiche, die als rechtsextrem zu qualifizieren seien.
„Ein Beispiel für solche Berührungspunkte ist das gemeinsame Marschieren auf Demonstrationen: Das war zum Beispiel bei Protesten gegen die Rechte von LGBTQI-Personen, gegen eine vermeintliche Islamisierung und gegen die Corona-Maßnahmen der Fall. In diesen Fällen gingen im Untersuchungszeitraum regelmäßig auch Identitäre bei den Demos mit und haben zur Teilnahme aufgerufen“, sagt Weidinger. Inhaltlich sei das durch gemeinsame Feindbilder begründet.
Erwähnung findet im Kapitel „Rechtskatholizismus“ auch der sogenannte „Marsch für das Leben“, der das Thema Schwangerschaftsabbruch jährlich aufwirft. Aber ist es nicht eine legitime politische Meinung, mit der geltenden Fristenregelung nicht einverstanden zu sein? Ab wann ist das problematisch? „Spätestens dann, wenn Abtreibung mit dem Holocaust verglichen wird“, sagt Weidinger. „Das ist auf einem dieser Märsche kürzlich geschehen.“
Zu den Kritikern des Rechtsextremismusberichts gehört auch Norbert Kastelic, Obmann der „ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und Bekenner für Österreich“. Der Sohn des Widerstandskämpfers Jacob Kastelic verweist auf den christlichen Widerstand gegen das NS-Regime. Dem Rechtsextremismusbericht wirft er „Verharmlosung der NS-Diktatur“ vor.
Bernhard Weidinger entgegnet: „Die Tradition des katholischen Widerstands wird im DÖW hochgehalten. Es sind NS-Gegner:innen aus verschiedenen weltanschaulichen Bereichen zusammengekommen, um das DÖW zu etablieren und das Andenken an die Opfer zu pflegen.“ Den Vorwurf der Verharmlosung kann Weidinger nicht nachvollziehen, gerade weil der Bericht auch den Rechtskatholizismus nicht pauschal als rechtsextrem einstuft: „Ich sehe Verharmlosung vielmehr dort, wo in Abrede gestellt wird, dass es im Rechtskatholizismus ein Problem gibt. Es geht in dieser Diskussion ja nicht um persönliche Glaubenspraxis oder darum, dass jemand aus christlicher Motivation heraus politisch handelt. Vielmehr sehen wir in diesem Bereich zum Beispiel Forderungen, wonach der ‚Wille Gottes‘ über der Verfassung zu stehen habe. Es werden teilweise Wünsche für eine Rückkehr zur Monarchie geäußert. Verharmlosend ist es, solche Aussagen einfach zur Seite zu schieben.“ Wer behaupte, christliche Bezugnahmen könnten grundsätzlich nichts mit rechtem Gedankengut zu tun haben, der ignoriere gewisse historische und gegenwärtige Phänomene, sagt Weidinger. Unter Berufung auf die katholische Lehre würden sehr unterschiedliche politische Projekte legitimiert.
Der Bericht ist unter www.doew.at zu finden. Das Kapitel „Rechtstendenziöse Subkulturen“ beginnt auf Seite 107, der Abschnitt über den Rechtskatholizismus auf Seite 116.
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