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6.346.029 Personen sind am 29. September aufgerufen, 183 Nationalratsabgeordnete zu wählen. Das ist die vorläufige Zahl der Wahlberechtigten gemäß Innenministerium. Im Vergleich zur letzten Wahl 2019 sind es 50.783 weniger. In der Zahl enthalten sind knapp 63.000 wahlberechtigte Österreicher:innen im Ausland.
Interessant ist, wer in Österreich lebt, aber nicht wählen darf. Die Bevölkerungszahl betrug am 1. Juli 2024 laut Statistik Austria 9.179.693 Menschen. Um wählen zu können, muss man mindestens 16 Jahre alt sein, 1.403.614 Menschen in Österreich sind jünger. Zudem sind zur Nationalratswahl ausschließlich österreichische Staatsbürger:innen zugelassen. 1.514.334 in Österreich lebende Personen im Wahlrechtsalter sind nichtösterreichische Staatsangehörige. Damit kommt man auf gut 19 Prozent von Menschen im wahlberechtigten Alter, die in Österreich leben, aber mangels Staatsbürgerschaft nicht wählen dürfen. (Eine Unschärfe bei den Zahlen entsteht durch unterschiedliche Stichtage.)
Daneben gibt es laut Gesetz eine andere vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossene Gruppe: Personen, die infolge einer Verurteilung eine Strafe verbüßen. Das gilt aber keineswegs für alle Verurteilten. Betroffen sind erstens Personen, die egal wegen welcher Straftat zu einer nicht bedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurden. Zweitens gibt es die Gruppe der aufgrund bestimmter Deliktsgruppen verurteilten Personen (zum Beispiel Wiederbetätigung, Hoch- und Landesverrat, strafbare Handlungen bei Wahlen, Terrorismus), die schon bei der Verurteilung zu einer geringeren Strafe ausgeschlossen werden können.
Ob aber tatsächlich ein Wahlausschluss verhängt wird, entscheidet das Gericht. Laut Innenministerium ist das nur mehr selten der Fall. Grundsätzlich ist also ein großer Teil der österreichischen Strafgefangenen wahlberechtigt. Die Ausübung des Wahlrechts ist zumeist per Wahlkarte bzw. per Briefwahl möglich, heißt es aus dem Justizministerium.
Nicht mehr von Wahlen ausgeschlossen sind Menschen, die einen Erwachsenenvertreter (früher Sachwalter) haben, weil sie zum Beispiel aufgrund einer Beeinträchtigung in ihrer Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sind. Auch sie haben das höchstpersönliche Recht, ihre Stimme abzugeben. Höchstpersönlich heißt hier, dass es nicht der Erwachsenenvertreter ist, der für sie abstimmt, sondern sie selbst. Allenfalls dürfen sie sich bei der Stimmabgabe helfen lassen. Bis 1987 waren bestimmte „besachwaltete“ Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen, dann hob der Verfassungsgerichtshof die Regelung auf.
Insgesamt zeigt sich daher, dass vor allem ausländische Staatsangehörige und Staatenlose von der Nationalratswahl ausgeschlossen sind. Diskussionen über ein Wahlrecht für Menschen, die teilweise seit Jahren in Österreich leben, hiesigen Gesetzen unterworfen sind, Abgaben zahlen, mangels Staatsbürgerschaft aber nicht wählen dürfen, gibt es schon länger.
Vergangene Woche machte die Nichtregierungsorganisation „SOS Mitmensch“ erneut auf die Situation aufmerksam. Sie veranstaltet eine „Pass egal“-Nationalratswahl, also eine Abstimmung, an der auch Menschen ohne österreichischen Pass teilnehmen können. Laut Berechnungen von „SOS Mitmensch“ hat sich die Zahl der mangels Staatsbürgerschaft vom Wahlrecht Ausgeschlossenen seit 1985 fast versiebenfacht und wird vermutlich weiter steigen. Bleiben die Einbürgerungsraten beim derzeitigen Stand, dann wird laut einer Prognose von „SOS Mitmensch“ 2064 jede dritte Person über 16 Jahre in Österreich kein Wahlrecht haben. „Nicht fair und demokratiepolitisch äußerst bedenklich“, nennt das die „SOS Mitmensch“-Vorsitzende Zeynep Buyraç; Demokratie lebe von Beteiligung, nicht von Ausschluss.
Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten, das zu ändern: Erstens eine Erleichterung bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft, wofür sich „SOS Mitmensch“ einsetzt. Eine politische Mehrheit dafür erscheint aber mehr als fraglich.
Die zweite Möglichkeit ist die Wahlteilnahme von Nichtösterreicher:innen unter bestimmten Umständen. Bei der EU-Wahl und bei Gemeinderatswahlen gibt es das zum Teil bereits, weil nichtösterreichische EU-Bürger, die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, wählen dürfen. Theoretisch denkbar wäre, diese Hauptwohnsitzregel auch auf andere Wahlen und Drittstaatsangehörige auszudehnen. Dafür gibt es bei kommunalen und regionalen Wahlen auch europäische Vorbilder wie Finnland oder Dänemark. Der Versuch, die Wahl der Bezirksvertretung in Wien zu öffnen, scheiterte aber 2004 am Verfassungsgerichtshof.
Was nationale Wahlen wie jene am 29. September betrifft, ist die Lage anders: Nur ganz wenige Staaten kennen unter Voraussetzungen de Teilnahme von ansässigen Ausländer:innen an nationalen Wahlen, zum Beispiel Neuseeland.
In Österreich ist keine Änderung absehbar, doch das Thema bleibt aktuell. Denn wird die Gruppe der Nichtwähler stetig größer, entsteht eine gesellschaftlich relevante Teilung der Gesellschaft in Menschen mit unterschiedlichen Rechten mit entsprechenden Spannungen. Neu ist das Problem nicht: Schon für das antike Athen war die große Zahl der Metöken (Griechen, die keine Athener Bürger waren) für das Staatswesen unentbehrlich, ohne dass sie mitbestimmen durften. Lösung gab es damals keine.
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