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Ein Gottesdienst in der Pfarre Linz-Hl.Geist. An der Orgel sitzt ein junger Mann: Er begleitet den Liedgesang, improvisiert, greift Motive auf und führt sie zum grandiosen Finale. Nach dem Auszug applaudieren die Mitfeiernden. Das war wieder ein Orgelspiel! – Viele Jahre hat Vinzenz Praxmarer als Organist in der Pfarre Linz-Hl.Geist die Gottesdienste musikalisch mitgestaltet. Zu Festzeiten tut er dies heute noch. Im Juli kehrt er als Dirigent ins Linzer Brucknerhaus zurück. Es wird das erste Konzert in der Corona-Zeit sein, das im Brucknerhaus stattfinden wird.
Noch wird an der genauen Umsetzung im Brucknerhaus gearbeitet. Die Sicherheitsbestimmungen werden eingehalten. Trotzdem ist einiges möglich, findet Vinzenz Praxmarer. Mit dem „Ganz oder gar nicht“-Prinzip will er sich jedenfalls nicht abfinden, wie er sagt: „Für uns Künstler und auch das Publikum ist es höchst relevant, ob gar nicht gespielt wird oder eben doch – wenn auch in veränderter Form.“ Seine Bitte an Intendanten, Veranstalter und Kulturschaffende lautet daher: „Bitte, setzt euch mit der Politik zusammen und erarbeitet sinnvolle Bedingungen, unter denen gespielt werden kann!“ Klar ist, dass es bis zur Entwicklung eines Medikaments oder Impfstoffs Einschränkungen geben wird müssen. Praxmarer: „Wir Künstler sind mehr als bereit, uns auf die Situation einzustellen, kreativ zu sein, Lösungen zu finden, Programme zu adaptieren, Besetzungen zu verändern. – Nur gar nicht spielen ist keine Alternative!“
„Kunst ist mehr als ein hübscher Luxusartikel, den man in prosperierenden Zeiten gerne konsumiert und als Aushängeschild benutzt, der in schwierigen Zeiten aber als vernachlässigbar gilt. Nach vielen Wochen der Beschränkung des öffentlichen Lebens ist das Bedürfnis der Menschen nach Kunst- und Kulturveranstaltungen sehr, sehr stark“, meint Praxmarer. Das Ausspielen von Berufsgruppen hält er für problematisch. „Wir sind Ärzten, Pflegekräften, Sanitätern, Bauern, den Angestellten im Lebensmittelhandel und allen, die in der Krise besonders gefordert waren, unendlich dankbar für ihre Arbeit“, so Praxmarer. Aber auch die Kunst sei systemrelevant. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Die digitale Welt war ein passabler Ersatz, aber das unmittelbare Erleben von Kunst ist in Wirklichkeit durch nichts zu ersetzen“, ist Praxmarer überzeugt: „Die Kunst ist Reflexion, Spiegelung, Bloßstellung unseres Lebens und führt uns dadurch zu uns selbst. Gerade die darstellende Kunst ist ein Dialog vieler Menschen. Deshalb hat sie auch so eine stark brückenbauende, versöhnende Wirkung. Sie erdet uns und führt uns gleichzeitig an das Göttliche heran“, sagt Praxmarer.
In einer musikbegeisterten Familie in Linz aufgewachsen hat Vinzenz Praxmarer in Wien das Dirigierstudium absolviert. Er war Assistent von namhaften Dirigenten: u. a. von Franz Welser-Möst, Kirill Petrenko, Philippe Jordan, Christoph Eschenbach. Als Studienleiter hat er im Theater an der Wien gearbeitet, bei den Salzburger Festspielen und an der Mailander Scala. Schon 1998 gründete er das Wiener Kammerorchester „Divertimento Viennese“. Seither ist er auch der künstlerische Leiter. Mit diesem Ensemble kommt er nun nach Linz, um das erste Konzert in der Corona-Zeit zu gestalten. Zwei Jahre lang hat er sich mit dem Orchester und den Solisten auf das Konzert vorbereitet, das ursprünglich im Juni geplant war. Das Programm trägt den Titel „Sehnsucht nach Wien“ und bringt Musik von verfemten und zur Emigration gewungenen Komponisten. Werke von Erich Wolfgang Korngold, Karl Weigl, Ernst Krenek, Emmerich Kalman und Oscar Straus sind zu hören. Einige Kompositionen erklingen zum ersten Mal im Brucknerhaus.
Konzert im Brucknerhaus: 5. Juli, siehe auch Seite 24. Der Kartenverkauf beginnt ab Mitte Juni.
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