KOMMENTAR_
Es begann damit, dass ich die Zeichen auf der Tafel nicht mehr entziffern konnte. Und wenn man nicht mehr lesen kann, was dort geschrieben wird, kommt man im Unterricht auch nicht mehr mit. Aber Gott sei Dank: Für die Schwächen des Auges gibt es Sehhilfen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Österreich trägt Brille. Wie klar, wie schön die Welt auf einmal wieder aussieht, wenn man mit der neu angepassten Brille aus dem Laden tritt. Alles so deutlich, von Weitem schon. Man hatte sich an seine Schwäche ja schon fast gewöhnt gehabt, bis es dann doch nicht mehr ging.
Nicht nur Bilder wollen betrachtet, Bücher und Zeitungen gelesen und Sehenswürdigkeiten bestaunt werden. Die Welt selbst will gesehen werden – und zwar klar. Aber man muss es wollen! Eine gute Weltsicht nimmt die Kleinigkeiten wahr. Sie sieht auch das Ferne – und die Folgen. Aber da verharren Menschen nur allzu gerne in ihrer Kurzsichtigkeit. Sie nehmen das Preisetikett wahr, aber wollen nicht sehen, wo, wie und von wem dieses Hemd beispielsweise genäht worden ist. Vielleicht – wahrscheinlich sogar – wollen sie es gar nicht so genau wissen.
Es gibt Sehbehelfe für ein gerechteres und zutreffenderes Sehen der Welt – dafür, wie es Menschen geht, von deren Arbeit ich Nutznießer bin: Zeitungen. Bücher. Dokumentationen. Begegnungen. Man muss diese Anstrengung auf sich nehmen – sonst geht es uns bald wie dem Kurzsichtigen, der seine Augen nie prüfen ließ, weil er meinte, die Undeutlichkeit seiner Sicht sei der Normalzustand.
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