Wort zum Sonntag
Während es von vielen Heiligen der katholischen Kirche wenig geschichtlich Greifbares, dafür aber eine Reihe von Legenden gibt, ist das bei Martin anders. Sein Schüler Sulpicius Severus hat knapp vor Martins Tod eine herausragende Biografie verfasst. Martin kam um das Jahr 336 als Sohn eines Berufssoldaten zur Welt, trat in die Fußstapfen des Vaters und wurde Mitglied einer berittenen Elite-Einheit. In die Zeit seines 25 Jahre dauernden Militärdienstes fällt die Begebenheit des Mantelteilens, das zum bekanntesten Zeichen von Martins Heiligkeit wurde. In den Wanderjahren nach dem Militärdienst lebte Martin streng asketisch und wurde als Einsiedler, Mönch, Missionar und Wundertäter bekannt. Martins Wahl zum Bischof der Stadt Tour im Jahr 371 war der Wille der christlichen Bevölkerung, die sich damit gegen die anwesenden Bischöfe und Laien aus der Aristokratie durchsetzte. Diese Auseinandersetzung zeigt, dass damals die Bischofswahl durch die Gemeinde bereits umstritten war und geistliche Obrigkeit sowie weltliche Oberschicht die Entscheidung immer mehr an sich zogen. „Zu armselig gekleidet und das Haar ungepflegt“, bemängelten die „Oberen“ das Aussehen Martins. Das wahre Problem bestand aber darin, dass Bischof Martin sich nicht zum gut bezahlten, aber weisungsgebundenen geistlichen Beamten des römischen Kaisers machen lassen wollte. Martin stand für eine Trennung von Kirche und Staat und – wie der Fortgang der Geschichte zeigte – auf verlorenem Posten: Bei einem Konflikt um die Rechtgläubigkeit des Bischofs Priscillian wandten sich die Bischöfe Frankreichs an den Kaiser in Trier, der 385 Priscillian zum Tod verurteilte. Dieses Todesurteil war ein bislang beispielloser Eingriff der weltlichen Obrigkeit in eine innerkirchliche Angelegenheit, den die Bischöfe selbst initiiert hatten. Bischof Martin lehnte dieses Vorgehen strikt ab und hat bis zu seinem Lebensende im Jahr 397 keinen Kontakt mehr zu seinen Mitbischöfen gesucht.
Obwohl Martin so obrigkeitskritisch war, wurde seine Mantel-Reliquie, die „cappa sancti Martini“, bald nach seinem Tod zu einem Reichsheiligtum. Die Aufbewahrungsorte der „cappa“ nannte man „Kapelle“ und die Geistlichen, die für die Verehrung der „Cappa“ des heiligen Martin zuständig waren, hießen „Kapläne“ – zwei Begriffe, die sich bis heute erhalten haben.
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Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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