Wort zum Sonntag
Ehsan lebt seit rund fünf Jahren in Österreich, 2017 wurde er in Linz getauft. Nun droht ihm die Abschiebung in den Iran. Dort müsse er im schlimmsten Fall mit dem Tod rechnen, sagt sein Unterstützer, Pater Stefan Leidenmühler, zum negativen Asylbescheid.
Es sind verstörende Videoszenen, die auf Ehsans Handy gespeichert sind. Burschen und junge Männer verletzen sich selbst mit Schwertern im Gesicht, bis sie bluten. Die Aufnahmen stammen aus Ehsans Heimatstadt im Süden des Irans und zeigen Selbstgeißelungen, die beim schiitischen Aschura-Fest begangen werden. Viele schiitische Religionsgelehrte lehnen diese exzessive Form der gläubigen Ekstase ab. „Ich bin in einer streng religiösen muslimischen Familie aufgewachsen, die dieses blutige Ritual aber für richtig hielt“, erzählt Ehsan, 29 Jahre alt und im Iran geboren, im Gespräch mit der KirchenZeitung. Im Teenageralter wurden die täglichen Besuche der Moschee für ihn immer mehr zur Qual.
Die Suche nach einer anderen Weise, seinen Glauben zu leben, führte ihn zu einer christlichen Gruppe, die im Internet aktiv war. Ehsan baute den Kontakt über eine Social-Media-Seite auf und lernte eine andere Welt kennen, wie er heute sagt. Die Herzlichkeit der jungen Christen überzeugte ihn, sich Schritt für Schritt vom Islam abzuwenden. Doch vor seinen Eltern konnte er die Veränderung nicht verbergen. „Sie fragten mich, wieso ich nicht mehr in die Moschee gehen mag“, sagt Ehsan. Er wurde in der Großfamilie, die ihn auch zu der blutigen Selbstgeißelung zwingen wollte, ausgegrenzt, später sogar bedroht.
Während Ehsan beim iranischen Militär seinen Pflichtdienst leistete, fingen die richtigen Schwierigkeiten jedoch erst an. Eine staatliche, geheimdienstähnliche Organisation sei den jungen iranischen Christen und ihrer Social-Media-Seite auf die Spur gekommen, gibt Ehsan gegenüber der KirchenZeitung an. Es kam zu mehreren Verhaftungen. Aus Angst vor Verfolgung floh er in die Türkei, wobei er gegenüber seiner Familie über die wahren Gründe schwieg. Über eine Bekannte erfuhr er, dass ihn die iranischen Behörden suchten. Zwei Jahre lebte er in Istanbul, bis er genug Geld für seine Flucht gespart hatte und 2015 in Österreich landete. Seither versucht er, sich ein neues Leben aufzubauen. Er bekam Deutschunterricht bei einem Ehepaar, fand Arbeit als selbstständiger Friseur und setzte seinen Weg zum Christentum fort. Im April 2017 wurde er in der Pfarre Linz-St. Markus getauft.
Ehsans Asylantrag wurde mehrfach abgelehnt. Die Richterin des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte im März 2021 in zweiter Instanz den negativen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Sie zweifelte nicht nur an den von Ehsan vorgebrachten Fluchtgründen, sondern auch an seiner wahrhaften, inneren Glaubensüberzeugung. Die Tatsache, dass Ehsan getauft ist, nützte ihm im Verfahren nichts. Denn die Richterin führt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an, dass es „für die Beurteilung einer Konversion nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist“. Somit sei die Taufe nicht entscheidungsrelevant. Die Richterin glaubt auch nicht, dass Ehsan ein wirklich aktives Glaubensleben hat. Gegen ihn wird beispielsweise vorgebracht, dass er wegen Sprachbarrieren keinen Austausch mit Österreichern in der Kirche habe.
In diesem Zusammenhang übt der Pater Stefan Leidenmühler, Ordenspriester der Oblaten des Heiligen Franz von Sales (OSFS), Kritik an der Entscheidung. Ja, es stimme, dass Ehsan sprachlich gesehen leider noch große Probleme habe. Seine Haltung zu seinem katholischen Glauben sei aber seit der Taufe ungebrochen und intensiv. Er nehme aktiv am kirchlichen Leben teil und habe den Glauben durch eine entsprechende soziale Haltung verinnerlicht. Das gab Pater Leidenmühler auch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht an. In ähnlicher Form bekam Ehsan auch Unterstützung von Pfarrer Pater Eugen Szabo OSFS, der bestätigte, dass Ehsan regelmäßig die Gottesdienste der Basillika am Pöstlingberg besuchte. Pater Stefan Leidenmühler versteht nicht, wieso diese Empfehlungen nicht entsprechend berücksichtigt wurden.
Auf Anfrage der KirchenZeitung antwortet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) dazu: „Die Richterinnen und Richter des BVwG haben (…) ausschließlich zu entscheiden, ob eine relevante Asyl bzw. subsidiären Schutz begründende Verfolgung bei Rückkehr in das Herkunftsland vorliegt. Daher kann es auch trotz Zeugenaussagen bzw. Empfehlungsschreiben von Kirchenvertretern zu negativen Entscheidungen kommen.“ Die Richterin geht davon aus, dass keine Gefahr für Ehsan besteht, wenn er zurückkehrt. Er wird aufgefordert, sich zu einer „freiwilligen“ Rückkehr beraten zu lassen. Ansonsten droht ihm die Abschiebung. Gegen den negativen Bescheid legt Ehsan nun Revision ein – eine letzte Hoffnung, dass er bleiben kann. Sollte Ehsan zurück in den Iran müssen, rechnet Pater Stefan Leidenmühler mit schlimmen Konsequenzen. Denn die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte mit Sitz in Frankfurt habe erst vor wenigen Monaten bekanntgegeben, dass das iranische Regime immer härter gegen Andersdenkende vorgehe und sich die Lage im Iran zuspitze. Leidenmühler: „Ich befürchte, dass ihm im Iran die Todesstrafe droht.“ «
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