Wort zum Sonntag
Durchlaucht – ist das die korrekte Anrede für Sie als Fürstgroßprior des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens in Österreich?
Fraʼ Gottfried Kühnelt-Leddihn: Das mag zwar im internen Protokoll so sein, aber persönlich bevorzuge ich die Anrede mit Fraʼ Gottfried – und fertig.
Also Bruder Gottfried?
Fraʼ Gottfried: Ja, Fraʼ werden die genannt, die die feierliche Profess abgelegt haben, also Religiosen im Sinn des Kirchenrechts sind.
Zum Malteserorden gehören Ritter und Damen. Unter einem Ritter stellt man sich einen mittelalterlichen Kämpfer mit Rüstung und Schwert vor. Wie passt das zum Bild einer spirituellen Persönlichkeit des 21. Jahrhunderts?
Fraʼ Gottfried: Das Ideal des Ritters, über den meine Generation noch in den Rittersagen gelesen hat, ist nach wie vor aktuell: Der christliche Ritter ist Lehensnehmer seines Lehensherrn Jesus Christus. Als solcher ist er verpflichtet zum Schutz – nicht nur des Glaubens oder der Einrichtungen des Glaubens, sondern der Menschen, die Jesus Christus besonders nahe waren. Also die Armen, die Kranken, die Witwen, die Waisen. Das steckt dahinter, und das ist heute so aktuell wie vor tausend Jahren. Nur dass wir keine blecherne Rüstung mehr anhaben, sondern entweder das rote Rettungsgewand als Sanitäter oder das graue, wenn wir in sonstigen Diensten unterwegs sind.
Der wichtigste Dienst der Malteser gilt den „Herren Kranken“. Wie leben Sie diesen Dienst?
Fraʼ Gottfried: Er ergibt sich aus den Evangelien. Wir wollen in jedem Menschen, dem wir dienen, unseren Herrn, Jesus Christus, sehen. Das fällt manchmal leichter, manchmal ist es schwieriger. Schon der heilige Benedikt hat das sehr realistisch gesehen – dass es auch unter den kranken Menschen solche mit übertriebenen Ansprüchen gibt. Aber auch diesen müssen wir dienen. Die Kranken werden von Benedikt aber auch angehalten, zurückhaltend zu sein. Letztlich ist es das Abbild Gottes, das wir in jedem Menschen sehen. Das ist nicht abhängig von irgendeinem Schönheitsideal, von einem sportlichen, eleganten, schönen Menschen, sondern es kann genausogut derjenige sein, der entstellt wirkt. Gott können wir nicht fassen. In den Kirchen haben wir idealisierte Darstellungen. Er kann aber genausogut verkrümmt in einem Rollstuhl sitzen und vielleicht kein erfreulicher Anblick sein – und trotzdem ist er das Abbild Gottes!
Leisten Sie selbst Sanitätsdienst?
Fraʼ Gottfried: Ja, sicher. Ich bin nach wie vor zertifiziert. Die Rezertifizierung verlangen wir, weil es nicht nur darauf ankommt, dass man dem Herrn irgendwie dient, sondern qualitätsvoll.
Sie sind seit Juli Großprior von Österreich. Seit 2019 waren Sie Teil der internationalen Ordensregierung in Rom. Wie haben Sie die Absetzung der Regierung durch den Papst am 3. September erlebt?
Fraʼ Gottfried: Der Heilige Vater hat von seinem definitiv bestehenden Recht Gebrauch gemacht, in das Leben eines Ordens einzugreifen, wenn es notwendig ist. Die Neuorientierung besteht hauptsächlich darin, dass das Charakteristikum als religiöser Orden stärker betont wird als bisher. Der Heilige Vater hat sich im Verhältnis zu den vielen Aufgaben, die er zu erfüllen hat, sehr viel Zeit genommen, nämlich drei Samstagvormittage, um das zu klären. Die Führungsaufgaben sind jetzt weitgehend den Professrittern zugeordnet. Nun müssen wir schauen, dass wir genügend Berufungen finden, um alle Ämter zu bekleiden.
Es ist paradox, in einer Zeit, in der es fast keine Professritter gibt, zu sagen, es müssen mehr Professritter Leitungsaufgaben übernehmen. Das wird schwierig.
Fraʼ Gottfried: Ich persönlich bin zuversichtlich. Das ist ja auch eine christliche Tugend – die Zuversicht, die Hoffnung. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, den Orden für weitere Jahrhunderte vorzubereiten.
Das heißt, Sie haben die päpstliche Entscheidung nicht als anmaßend erlebt, sondern konstruktiv?
Fraʼ Gottfried: Konstruktiv ist der richtige Ausdruck. Ich bin mir der Problematik vollkommen bewusst, wenn man etwas nicht selbst zustande bringt. Aber dem Heiligen Vater war und ist unser Orden eben wichtig, darum hat er sich der Sache persönlich angenommen, und das ist zu respektieren. Das will ich respektieren. Ich hätte es vielleicht anders gemacht. Aber im Ergebnis wäre es wahrscheinlich auch dort gelandet, also halte ich mich da zurück. Es ist viel wichtiger, jetzt vorwärts zu schauen. Wohin gehen wir? Wie gehen wir weiter? Wie gewährleisten wir das, was unser Ordensgründer gesagt hat: dass diese Bruderschaft unvergänglich sein wird. Weil der Boden, auf dem diese Pflanze wurzelt, das Elend der Welt ist. Und weil es immer Menschen geben wird, die daran arbeiten werden, dieses Elend erträglicher und dieses Leid geringer zu machen. Das ist unsere Aufgabe, und nicht zu lamentieren über das, was anders hätte sein sollen.
Am 22. November setzte Papst Franziskus auch die Leitung des Caritas-Weltverbands ab. Sehen Sie Parallelen?
Fraʼ Gottfried: Ich habe ein Buch von Chris Lowney über Papst Franziskus gelesen, „Führen und entscheiden mit Franziskus“. Der Heilige Vater ist sich dessen bewusst, dass man mit 85 Jahren keinen Zeithorizont von 20 oder 30 Jahren hat, sondern deutlich kürzer. Und es war und ist ihm offensichtlich wichtig, dass gewisse Einrichtungen in der Kirche, die der Caritas, der Nächstenliebe, dienen, in die richtige Spur kommen, solange er noch dafür sorgen kann. Eines steckt möglicherweise dahinter: Dem Heiligen Vater liegt der Dienst am Nächsten, nämlich mit den eigenen Händen am Menschen, wesentlich näher als etwa die Wissenschaft über den Glauben.
Die Malteser sind nicht nur ein katholischer Orden, sondern auch ein Völkerrechtssubjekt. Sie können also, ebenso wie der Heilige Stuhl, eigene diplomatische Beziehungen zu den Staaten der Welt pflegen und tun das auch. Ist das zeitgemäß?
Fraʼ Gottfried: Unsere Diplomatie ist eine humanitäre Diplomatie, keine politische. Wir greifen nicht in die Politik ein. Nur humanitär, und dazu gehören die Menschenrechte, für die wir eintreten – sowohl ideell als auch durch praktische Tat. Wir können den Herrn Putin nicht überreden, mit dem Krieg aufzuhören. Wir können aber etwa darüber reden, dass gewisse Personen, die gefährdet wären, aus dem Gefährdungsbereich herauskommen. Unsere ganze Diplomatie und Souveränität hat keinen Selbstzweck. Wir müssen kein Staatsgebiet schützen. Wir schützen nur die Menschen.
Ein anderer Kritikpunkt gegenüber dem Orden ist, dass die Malteser ein elitärer Kreis von Adeligen sind. Was sagen Sie dazu?
Fraʼ Gottfried: Das Wesentliche ist der Adel des Geistes, der Gesinnung. Dabei ist es ganz egal, ob jemand einen abgeschafften oder nicht abgeschafften Adel der Geburt hat. Das ist aus meiner Sicht sekundär, es ist egal. Wir haben in unseren Kreisen viele prominente, teilweise geschichtsträchtige Namen. Aber das steht überhaupt nicht im Vordergrund. Im Vordergrund steht, dass wir alle, egal welcher Abstammung wir sind, Diener der Herren Kranken sind. Das ist der Adel des Geistes, auf den es ankommt.
Fraʼ Gottfried Kühnelt-Leddihn ist seit Juli 2022 Malteser-Großprior von Österreich. Seit 1970 ist er im Malteser Hospitaldienst engagiert, seit 1983 Ordensmitglied. Erst 2013 legte er die Ewige Profess als Ordensmann ab, nachdem seine Frau nach langer Krankheit 2007 verstorben und die fünf gemeinsamen Kinder erwachsen waren. Seit seiner Kindheit hat er seinen Lebensmittelpunkt in Tirol, wo er jahrzehntelang als Landesbeamter wirkte.
Einen „Putsch von oben“ nannte es der Vatikanjournalist Ludwig Ring-Eifel: In einem ungewöhnlich kompromisslosen Schritt entließ Papst Franziskus am 3. September 2022 den international führenden Großkanzler des Malteserordens – den Deutschen Albrecht Freiherr von Boeselager – und die gesamte Ordensregierung in Rom.
Mit demselben Dekret gab Franziskus dem Orden eine neue Verfassung und ein neues Gesetzbuch, er setzte eine Übergangsregierung ein und legte das Datum für ein außerordentliches Generalkapitel zur Neuwahl der Ordensregierung fest: den 25. Jänner 2023.
Seit Jahren hatten die Malteser versucht, sich selbst eine neue Verfassung zu geben. Interne Meinungsverschiedenheiten, Todesfälle von Leitungspersönlichkeiten und nicht zuletzt auch die Pandemie verzögerten den Prozess aber immer wieder. Letztlich dürfte dem Papst die Geduld gerissen sein, sodass er durchgriff.
Unter den Maltesern wurde der radikale Schritt differenziert aufgenommen. Der Kanzler des Großpriorats Österreich, Richard Steeb, fasste die Stimmungslage zusammen: „Wir begrüßen einerseits, dass der seit fünf Jahren andauernde Prozess nun beendet ist, bedauern aber, dass die neue Verfassung nicht gemeinsam erstellt wurde.“
Ähnlich sieht es der seit heuer amtierende Großprior von Österreich, Fraʼ Gottfried Kühnelt-Leddihn: „Ich bin mir der Problematik vollkommen bewusst, wenn man etwas nicht selbst zustande bringt. Aber dem Heiligen Vater war und ist unser Orden eben wichtig, darum hat er sich der Sache persönlich angenommen, und das ist auch zu respektieren ... Es ist viel wichtiger, jetzt vorwärts zu schauen.“
Weltweit gibt es im Malteserorden 35 Professritter mit Ewigen Gelübden, 13.500 männliche und weibliche Ordensmitglieder und 120.000 ehren- und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Österreich gibt es 2.000 ehrenamtliche Malteser und Malteserinnen. Am bekanntesten ist in Österreich der Malteser Hospitaldienst, der sich besonders um die Pflege und Unterstützung von Menschen mit Krankheiten und Behinderungen kümmert.
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