Sie wollte Floristin werden. Doch ihre Körpergröße war denen, die die Personalauswahl trafen, immer Grund, sie nicht zu nehmen. – So wie Ingvild Fischer geht es vielen der etwa 10.000 kleinwüchsigen Menschen in Österreich.
Ein Briefkasten, ein Bankschalter, eine Türklinke, ein Tisch im Gasthaus . . . alles hat eine Normgröße oder ist in einer Normhöhe angebracht. Für kleine Menschen wird da Vieles zum Problem. Auch schwere Tore sind ein Hindernis (in Kirchen z. B.). Kleidung, Auto, Kücheneinrichtung . . . überall braucht es Sonderausstattungen oder -anfertigungen. Wenn die Rahmenbedingungen ihrer Körpergröße angepasst sind, leisten kleinwüchsige Menschen hundert Prozent. So fährt die kleinste Frau Österreichs (86 cm) mit speziellen Adaptierungen Auto.
. . . die Welt wäre fad
Schlimm sind abschätzige Blicke von Mitmenschen. „Heit’ schaun’s wieda“, sagt die Mutter von Ingvild Fischer öfter, wenn sie mit Tochter Ingvild spazieren geht, und die Leute starren. „Mir fällt das schon gar nicht mehr auf“, erzählt Ingvild Fischer.Wenn heute ein Kind auf der Straße zur Mutter sagt: „Schau die kleine Frau an!“, kann Frau Fischer damit gut umgehen. Es kommt eben nicht oft vor, dass Kinder so kleine Erwachsene sehen. Gewiss, auch sie haderte schon mit Gott wegen ihrer Behinderung. Irgendwann hat sie zu einer Erklärung gefunden: „Wir sind etwas Besonderes. Die Welt wäre fad, würden alle gleich aussehen.“
Worte verletzen
Herabwürdigend empfinden kleinwüchsige Menschen, wenn sie mit Worten wie „Zwerge“ oder „Liliputaner“ bedacht werden. Das sind Fabelwesen wie „Feen“. Sie gehören in den Bereich der Märchen. Ingvild Fischer wurde 1967 geboren. Sie besuchte zunächst die Regelschule und kam mit zwölf Jahren in ein Internat für körperbehinderte Kinder. Die nachfolgende Berufssuche war schwierig, weil die Welt der Normalwüchsigen der 137 cm großen Frau nicht viel zutraute. Als sie ihren Mann kennen lernte, zog sie zu ihm und baute mit ihm und anderen Betroffenen ab 1997 den „Bundesverband der kleinwüchsigen Menschen und ihre Familie“ (BKMF) auf. Er erhielt heuer den Solidaritätspreis der Kirchenzeitung Linz.
Kleine Leute, großer Humor
„Als Kleinwüchsige haben wir immer ein bisschen mehr zu kämpfen.“ In diesem Satz bündelt Ingvild Fischer ihre Lebenserfahrung. Und ergänzt mit einer zweiten, die die erste leichter ertragbar macht: „Wir Kleinwüchsigen haben oft eine besondere Portion Humor.“
Kleinwuchs
Infos zum Thema
In Österreich sind ca 25.000 Menschen vom Kleinwuchs betroffen (direkt bzw. als Eltern). 10.000 Personen sind kleinwüchsig (kleiner als 150 cm; etwa 2.500 sind nicht größer als 130 cm). Es gibt an die 100 Kleinwuchsformen.Der Bundesverband kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF) vertritt ihre Interessen.
In allen Bundesländern sind Regionalgruppen eingerichtet, die zentrale Beratungsstelle ist in 4502 St. Marien, Griesstr. 2, Tel./Fax: 0 72 27/2 06 00E-mail-Adressen: beratung@kleinwuchs.at bzw. tirol@kleinwuchs.atSehr informativ ist die Homepage des Verbandes: www.bkmf.atmit ausführlichen Infos u. a. für Eltern kleinwüchsiger Kinder sowie in sozialen Fragen.